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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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können. Wer in einen Kampf ging, musste verlieren können. Auch wir mussten mit Niederlagen umgehen. Nicht jeder von uns ging siegreich aus diesen Schlägereien hervor. Auch wir mussten einstecken, auch wir mussten Niederlagen verarbeiten. Aber für uns Hooligans war diese Welt eine ehrliche. Geradlinig und authentisch. Keine Hinterhalte, keine Intrigen, kein Mobbing, keine falschen Bündnisse. Gerade heraus, offen und mit einer klaren Sprache, die auf dieser Welt jeder verstehen konnte. Einer für alle – alle für einen. Wie in den Filmen, die wir in unserer Kindheit mit großen Augen aufgesogen hatten.
    Die Blue Army war Freundeskreis und Familie zugleich. Sie war die Plattform, Jugendfantasien auch noch mit 20, 30 oder 40 Jahren ausleben zu können. Unsere Gefühlslage war berauschend. Wir waren die Starken. Die Guten und die Bösen, die Gesetzlosen und die Ordnungsmacht. Wir waren die Blue Army – eine marodierende Horde, der gesellschaftliche Normen gleichgültig waren. Über Recht und Unrecht hatten andere nicht zu entscheiden – das machten wir schon selbst.
    Im Sommer 1994 verabredeten wir, eine große Auswärtsfahrt zu unternehmen. Das war Abenteuerurlaub und Klassenfahrt. Ein paar Dutzend Jungs – ein gemeinsames Ziel: Fußball und mehr … Die Arminia spielte mittlerweile in der Regionalliga West. Fußball war Fußball und jeder Gegner, ob Champions League oder Oberliga, ein potenzieller Gegner. Nun also Edenkoben. Ein kleines Kuhkaff im Südwesten, etwa 50 Kilometer von Kaiserslautern entfernt. Die Stadt der Roten Teufel.
    Die anhaltende Formschwäche der Arminia machte ein offizielles Treffen im Stadion mit den Lauterern vorerst unmöglich. Aber Vereinsfußball ist die eine – Firmentreffen wie diese eine ganz andere Sache. Dafür brauchten wir keinen DFB. Solche Begegnungen ließen sich auch auf dem kleinen Dienstweg arrangieren – und so machte der Onkel ein Treffen in Edenkoben klar.
    Er übermittelte dem Anführer der Kaiserslauterer Hooligans un-
sere voraussichtliche Reisestärke – 50 Jungs –, mietete einen Bus an und verteilte unter der Hand kleine Flugblätter an ausgewählte Teilnehmer, um die exquisite Reisegruppe ausführlich über das anstehende Tagesprogramm zu informieren. Der harte Kern der Blue Army stand in Bielefeld und Umgebung auf einer Art schwarzen Liste bei Busunternehmern. Offiziell wäre es also unmöglich gewesen, einen Bus zu mieten, was den Onkel jedoch nicht abhalten konnte. Er benutzte den Namen eines unbescholtenen Schulkollegen und buchte den Bus für die Ausflugsfahrt eines Kegelvereins. Als er dann auch noch Barzahlung bei Abfahrt anbot – gern auch ohne Rechnung –, sagte bereits der erste Reiseunternehmer erfreut zu.
    Das Spiel fand an einem Sonntag statt. Regionalliga West-Südwest. 430 Kilometer ein Weg, Fußball, Kurzbesuch auf dem lokalen Weinmarkt und ein ungezwungenes Date mit den Lauterer Hools – ein Hauptgewinn! Treffpunkt Busbahnhof Kesselbrink in Bielefeld, Abfahrt Sonntagmorgen, 04:30 Uhr, Fahrtkosten 48 Mark hin und zurück – der Bus war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Unsere Leute um Frank, Paul, Kai, Olaf, Jan und mich dürften mit Abstand die jüngsten »Kegelbrüder« auf dieser Fahrt gewesen sein. Der Rest bestand aus alten Haudegen aus der Gründerzeit des OWT Blue Army, die schon seit dem Frankreichüberfall 1984 europaweit für Furore sorgten. Es war sicherlich eine der eindrucksvollsten und schlagkräftigsten Busbesatzungen, die Bielefeld jemals verlassen hatte.
    Gegen Mitternacht trafen wir uns im »Cobra« und gönnten uns die ersten Biere. Nach und nach trudelte die gesamte Reisegruppe in unserer Stammkneipe ein. Auch die Besatzung des zweiten Busses, organisiert vom OWT-Nachwuchs. Zwei Omnibusse mit Hooligans aller Altersklassen sollten Bielefeld im Morgengrauen in Richtung Pfalz verlassen. Zwei extrem alkoholisierte Ausflugsgesellschaften, deren Gewaltpotenzial schon im nüchternen Zustand äußerst bedenklich war.
    Dem Busfahrer stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, als er unsere Gruppe wiedererkannte. Er hatte uns schon einmal gefahren. Es war eine Extrem-Tour zu unseren Freunden nach Hamburg gewesen. 35 volltrunkene Krawallbrüder, die zwei Tage exzessiv trinken, grölen und feiern wollten, musste er seinerzeit chauffieren. Eigentlich wollten wir uns damals nur das Spiel HSV gegen die Eintracht Frankfurt ansehen, ein bisschen auf der Reeperbahn mit unseren Hamburger Freunden feiern und wieder zurück nach

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