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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Busreisenden vor die Kamera zu stellen. Wer seinen Namen und seine Anschrift nicht ordentlich aufsagen konnte oder wollte, würde sofort in Gewahrsam genommen werden. Was den fünf zugekoksten Knast-Typen sofort zum Verhängnis wurde.
    Alle anderen sagten irgendwie ihre Namen auf und ließen die Kontrolle über sich ergehen. Mein Hals schnürte sich allmählich zu, nachdem einer nach dem anderen vor die Polizeikamera geschleppt worden war. Mir war klar: Diese Nummer könnte mir größte Probleme bereiten. Mein Gesicht durfte nicht auf einem dieser Polizei-Videos zu sehen sein.
    Ich blieb bei den Bielefelder Beamten stehen und machte weiter Smalltalk. Als alle Businsassen gefilmt waren, kam plötzlich der Edenkobener Polizeiführer auf uns zu: »Was ist denn mit dem hier? Wurde er auch schon gefilmt?« Ich war schlagartig nüchtern. »Ja, ja. Ich war zwischendurch schon da und habe meinen Satz aufgesagt!« Der Polizeiführer schaute den Bielefelder SKB fragend an. Lintz schien kurz zu überlegen. Und dann nickte er. Ich wurde nicht gefilmt und ich musste meine Personalien nicht aufsagen. Nach Polizeimaßstäben war ich gar nicht anwesend. Ich hatte Glück. Mal wieder. Fragte sich nur, wie lange es noch anhalten würde.
    Der Polizeiführer schätzte das hohe Gewaltpotenzial der Busbesatzung richtig ein. Ihm war bewusst, dass er hier keine Idioten- oder Pfadfindertruppe vor sich hatte, sondern erfahrene Hooligans, die seit 10 oder 15 Jahren Deutschland und Europa mit Ausschreitungen überzogen. Noch während der Kontrolle forderte er über die Polizeileitstelle weitere Verstärkung an. Ein kompletter Zug, also 30 Beamte, erreichte wenig später die Kontrollstelle. In Begleitung von insgesamt 60 Polizisten fuhren wir endlich weiter in Richtung Fußballfeld.
    Von einem Stadion konnte man nicht sprechen. Es handelte sich vielmehr um einen einfachen Rasenplatz mit überdachter Kleintribüne auf einer Seite des Feldes. Die gesamte Gegenseite und der Bereich hinter den Toren bestand aus Stehplätzen. Rund um das Spielfeld ging eine Laufbahn, begrenzt war das Ganze nur von einer hüfthohen Eisenstange. Diese Anlage würde den Ansprüchen für Bundesjugendspiele einer kleinen Dorfschule entsprechen – nicht aber einem Fußballspiel mit massiver Hooligan-Beteiligung. So tief war die einst mächtige Arminia also gesunken. Und so tief mussten nun auch wir sinken. Wir, die Blue Army, die eigentlich für die großen Spielstätten weltweit geschaffen war. Hier waren wir, bei mehr als 30 Grad im Schatten, an diesem gottverdammten Bolzplatz in der Pfalz.
    Wir soffen weiter – Wodka aus 0,3-Liter-Bechern. Unsere T-Shirts hatten wir längst abgelegt und um den Kopf gebunden oder in den Jeansbund gesteckt. Ich trug mein Chevignon-Basecap – als Sonnenschutz und zur Tarnung vor eifrig filmenden Polizeikräften. Mit uns drängte auch die Besatzung des Nachwuchs-Busses mit knapp 30 jungen Burschen in Richtung Eingang. Die Jungs wollten sich hier beweisen, sich einen Namen machen, um bei einer der nächsten Fahrten vielleicht in unserem Bus mitfahren zu dürfen. Dieses Privileg musste man sich erarbeiten. In diesen Bus kam man nicht einfach so.
    Zusätzlich reisten aus unserem Umfeld noch weitere 20 bis 30 Jungs mit den eigenen Autos an, sodass sich unter den rund 4000 Zuschauern an diesem Nachmittag gut 100 gewaltbereite Männer auf die dritte Halbzeit freuten. Die Polizeikräfte vor Ort verschärften ihre Kontrollen. Da sich ein Fan lauthals über das vertrocknete Gras im Stadion lustig machte und andeutete, wie gut es brennen würde, beschlagnahmte die Polizei am Eingang sämtliche Feuerzeuge und Streichholzschachteln. Das Gedränge vor dem Eingang wurde immer unübersichtlicher. Die Stimmung begann angesichts der schikanösen Kontrollen auch unter den normalen Stadionbesuchern langsam zu kippen.
    Das Thermometer im Stadion dürfte auf über 35 Grad gestanden haben, als wir endlich den Sportplatz betreten konnten. Wir steuerten das einzige schattige Plätzchen im gesamten Stadion an: ein Getränkestand. Ein kühles Bier würde sicher helfen. Doch es gab kein Bier. Wir waren in der Pfalz. Hier wurde Wein getrunken – auch auf dem Fußballplatz. Nach Bier, Wodka, Kokain und Ecstasy nun also Wein aus 0,3-Liter-Bechern. Die Mischung in unseren Körpern wurde immer explosiver. Das Verhalten der Polizeikräfte auch.
    Nach Ansicht der Polizeistrategen standen wir falsch. Nicht der Platz vor dem Getränkestand war für uns bestimmt, sondern

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