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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Bielefeld fahren. Eigentlich. Dann aber hatten wir damals spontan beschlossen, noch das Sonntagsspiel Dortmund gegen Schalke zu besuchen. Ein kleiner Überraschungsbesuch bei den Schalker Jungs, die wir ganz besonders gut leiden konnten.
    Der Busfahrer stammelte damals etwas von Vertrag und Ruhezeiten, dass sein Chef den Bus bräuchte und solche Dinge. Hardy regelte die Angelegenheit. 1,85 Meter groß und 1,85 Meter breit, Handflächen so groß wie Baggerschaufeln und ein vergleichsweise impulsives Gemüt. Hardy torkelte damals den schmalen Mittelgang nach vorne, nahm seine Jacke und schmiss sie dem Fahrer einfach über den Kopf – während der Fahrt auf der A2 bei Tempo 100. Er packte den Fahrer fest am Hals und drückte ihm die Gurgel ab: »Du fährst dahin, wo wir es dir sagen! Wenn ich sage, du fährst nach Dortmund, dann fährst du nach Dortmund. Hast du das verstanden, du bescheuerter Wichser?«
    Der Bus schlingerte bedrohlich unter dem tosenden Applaus der gesamten Busbesatzung von der Standspur bis fast zur Mittelleitplanke. Hin und her. Bis Hardy ihm die Jacke wieder vom Kopf zog und den Fahrer von der Seite anstarrte. Der Busfahrer war schweißgebadet und kreidebleich. Und man konnte deutlich die roten Druckstellen an seinem Hals sehen.
    Und nun sollte er nach Kaiserslautern fahren. Mitsamt seiner Ehefrau, die ihn – unwissend, um was für eine Gruppe es sich in Wirklichkeit handelte – in die schöne Pfälzer Weinregion begleiten wollte.
    Wir ließen dem konsternierten Chauffeur keine Wahl und stiegen ein. Der Fahrer und seine Ehefrau beratschlagten noch kurz miteinander und stiegen dann ebenfalls zu.
    Ein schwerer Fehler …
    Insgesamt 14 Stunden Fahrt standen uns an diesem Tag bevor und dementsprechend groß waren auch die mitgebrachten Alkoholreserven. Zwei Reihen vor mir saß Thorsten mit seinem »Koffer Fürchterlich«. Ein umgebauter Gitarrenkoffer, den er nur bei ausgewählten Fahrten über 400 Kilometer mitnahm. Sechs Einlagefächer für drei Flaschen Jim Beam, eine Flasche Strothmann-Korn und zwei Flaschen Cola fanden in dem Koffer Platz. Frank, Paul und ich hatten pro Kopf eine Literflasche Wodka, zwei Flaschen Apfelsaft und je einen Container – also zehn Flaschen – Herforder Pils dabei. Das musste fürs Erste genügen. Der Onkel marschierte nach vorne, legte, ohne den Busfahrer auch nur anzuschauen, seine Musikkassette in die Anlage und drehte unter lautem Gegröle der gesamten Busbesatzung die Lautstärke voll auf. Die Böhsen Onkelz: »Kneipenterroristen« – unsere Marschmusik gewissermaßen.
    Mütter, sperrt die Töchter ein.
    Und rettet euren Sohn.
    Vor Kneipenterroristen, dem Schrecken der Nation.
    Sind die Straßen menschenleer
    und jeder Gastwirt ist in Kur,
    dann sind Kneipenterroristen auf Terror-Tour.
    Wir sind Kneipenterroristen – schwerstens tätowiert.
    Wir haben immer einen sitzen, ganz egal, was auch passiert.
    Hausverbot heißt unser Motto und Streit ist unser Ziel.
    Jeden Tag ne schlechte Tat – ist das zu viel?
    Alle standen im Gang, die Arme hochgestreckt, und grölten den Text mit. 04:38 Uhr, der Bus hatte Bielefeld noch nicht einmal verlassen.
    Um 06:30 Uhr baute unsere Knast-Connection, fünf Typen – alle über 100 Kilo schwer – mit mehr Gefängniserfahrung als der gesamte Rest des Busses, die ersten Koks-Straßen. Zwei von denen besetzten die ersten Plätze vorne rechts, direkt neben dem Fahrer und seiner Frau. Sie klappten ihre Tischchen aus und breiteten genüsslich das Kokain aus, um sich dann unter den ungläubigen, entsetzten und panischen Blicken des Fahrers und seiner Frau mehrere Linien Koks in die Nase zu ziehen.
    Dann riss einer von den Jungs den Ausklapptisch aus der Verankerung und verteilte darauf mehrere Linien Koks und Dutzende von Ecstasy-Tabletten im ganzen Bus. Meine Kumpels und ich blieben bei Wodka Apfelsaft. Bis auf Uwe, der allerdings nur zwei Stunden später nach einem Cocktail aus Koks, Speed, Ecstasy und Wodka mit einem Kreislaufkollaps ausfiel. Der Bus musste auf den Randstreifen, ein Notarzt wurde alarmiert und die Fahrt – nachdem Uwe mit einem Krankenwagen abtransportiert worden war – unter lautem Applaus fortgesetzt. Gefallene Kameraden gab es schließlich in jedem Krieg zu beklagen …
    Über die gesamte Heckscheibe des Busses hing die OWT-Blue-Army-Bielefeld-Fahne. Es sollte keine Zweifel daran geben, wer hier unterwegs war. Die Stimmung im Bus war prächtig. Künftige Reisepläne für die Europameisterschaft in England

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