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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Dem Polizisten in mir war klar, dass meine Kollegen gar nicht genau wussten, wen sie da überhaupt suchten. Vermutlich hielten sie Ausschau nach einem jungen Mann, der eine auffällige blaue Jacke trug. Aber diese Jacke trug ich nicht mehr.
    Ich passierte ungehindert den Eingangsbereich und ging weiter. Aus dem Augenwinkel registrierte ich, wie Thomas mit Handschellen gefesselt hinten in einem Streifenwagen saß. Innerlich angespannt und hoch konzentriert setzte ich meine Flucht fort. Noch hatte ich es nicht geschafft. Immer noch drohte mir die Festnahme. Noch immer konnte mich jemand entdecken und nach der Polizei rufen.
    Nachdem ich den Klosterplatz überquert hatte, bog ich sofort in eine kleine Seitenstraße ein. Weiterhin mit ruhigem Schritt und äußerlich gelassen. Ich hielt ein Taxi an, stieg ein und fuhr damit nach Hause. Eigentlich ein Fehler. Ein guter Polizeiermittler könnte später in der Taxizentrale anrufen und nachfragen, ob in der fraglichen Zeit ein Mann, passend zu meiner Personenbeschreibung, am Klosterplatz ein Taxi genommen hat. Eine einfache Methode, die Adresse eines Gesuchten zu erfahren. Aber auch hier dachte der Polizist mit. Nach Schlägereien in Bielefeld nannte ich den Taxifahrern niemals die vollständige Anschrift. Ich stieg immer in
der Nähe meiner Wohnung aus und legte die restlichen 300 Meter zu Fuß zurück. Wegen so einer Dummheit wollte ich nicht gefasst werden. Ich nicht!
    Thomas wurde festgenommen und zum Polizeipräsidium verbracht. Noch in der Nacht wurde er mehrfach befragt, wie ich später erfuhr. Immer wieder hatten sie auf den Namen seines Freundes mit der blauen Jacke gedrängt. Aber Thomas war erfahren und abgezockt genug, um Vernehmungen dieser Art mannhaft zu überstehen. Nein, Thomas kannte mich selbstverständlich nicht. Ich war irgendein Typ aus der Kneipe, der zufällig neben ihm stand. Nie zuvor gesehen, keinen Namen, keine Adresse – nichts.
    Wie später herauskam, hatte die Polizei das »Cobra« in jener Nacht insgesamt zweimal auf den Kopf gestellt. Auch eine verriegelte Klotür wurde eingetreten, aber dort lag nur ein besoffener Gast, der seinen Rausch ausschlafen wollte. Von vier weiteren Jungs der Blue Army waren die Personalien aufgenommen worden, aber auch deren Befragung führte nicht auf meine Spur. Thomas musste in einer kargen Zelle des Polizeipräsidiums übernachten und wurde am Sonntagmorgen wieder freigelassen. Ihm wurde eine Strafanzeige wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung angedroht und zu verstehen gegeben, dass es sich strafverschärfend auswirken könnte, wenn ihm nicht doch irgendwann der Name seines Mittäters einfallen würde. Es blieb bei dem Gedächtnisverlust.
    Die Überprüfung der Personalien offenbarte seine Knastkarriere. Und den Polizisten wurde auch klar, mit wem sie es da zu tun hatten: Thomas galt als GS – als » Gewalttäter Sport « . Das war das Polizeikürzel für Jungs, wie wir es waren – Hooligans, die im Umfeld eines Fußballvereins zu Körperverletzungsdelikten neigten. Der Polizist Stefan Schubert war also auch ein GS – aber offenbar noch nicht in den Akten der Behörden.
    Thomas rief am folgenden Tag an. Er berichtete mir, wie heiß die Polizei auf mich gewesen sei. Mein Kontrahent hatte wohl schwerere Verletzungen erlitten, als zunächst angenommen, und musste noch in der Nacht im Krankenhaus behandelt werden. Thomas sorgte sich um eine Straferhöhung, da er meine Identität nicht preisgab. Ich versprach, ihn mit der Sache nicht allein zu lassen, gab ihm aber auch zu verstehen, dass nur sein Verhalten zu dieser Schlägerei geführt hatte. Das musste er am Ende dann auch eingestehen.
    Vier Monate später wurde Thomas zur offiziellen polizeilichen Vernehmung vorgeladen. Er rief mich an und wir verabredeten uns, um alles zu besprechen. Er litt zu dieser Zeit unter Geldproblemen und wollte mit so wenig Kosten wie möglich aus dieser Anzeige rauskommen. Um eine teure Gerichtsverhandlung zu umgehen, mit entsprechenden Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten, riet ich ihm, eine Aussage zu machen. Leugnen würde nichts bringen, weil die Typen zu dritt unterwegs waren und ihre Aussagen gegenseitig abstimmen und bestätigen würden.
    Erschwerend kamen auch seine zahlreichen Vorstrafen dazu. Kein Richter würde ihm bei seinen Einträgen den Unschuldigen abkaufen. Und der Typ, dem Thomas einen Kopfstoß verpasst hatte, beklagte eine gebrochene Nase. Das belegten auch ärztliche Atteste. Die Sachlage war

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