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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Durch die schlagartige Freisetzung von Adrenalin und eine erhöhte Herz- und Atemfrequenz wird der Organismus in eine Art Alarmzustand gebracht. Fight or Flight – Kampf oder Flucht. Die Entscheidung liegt bei jedem selbst. Der Körper ist bereit, härter zu kämpfen oder schneller zu fliehen. Wie ein Raubtier. Nur noch ein Rest Vernunft blitzte ganz kurz in mir auf. Was ist mit meinen Zähnen? Was ist da los? Vergiss es! Du musst kämpfen, kämpfen, kämpfen.
    Genau in diesem Moment prallte ein böser Tritt auf meinen Rippenbogen. Durch die Wucht dieses gut getimten Angriffs wurde ich an die zwei Meter nach hinten geschleudert. Was hatte der Typ vor? Ich hatte doch den ersten Schlag zu setzen, nicht er! Rasen im Kopf. Fight or Flight? Fight! Von einem Moment auf den anderen war ich voll da. Mein Ich war nur noch von Intuition und Kampfsportausbildung gelenkt. Ich musste das Feuer eröffnen, ich musste ihn treffen. Links, rechts, kraftvoll gerade zum Kopf. Fight! Er konterte. Seine Linke konnte ich gerade noch abfangen, die rechte Faust kam durch und traf ungebremst meinen Kopf. Flight? Nein! Keine Flucht. Kampf! Sein Treffer war nicht so schlimm – ich war noch da.
    Um die Wirkung seiner Schläge zu erhöhen, drehte mein Gegner geschickt seinen Körper ein und trat zu. Ich blockte mit den Unterarmen ab und erhöhte meine Schlagkraft. Fight – das Adrenalin in meinem Blut gab den Befehl. Ich musste kämpfen! Mein rechter Hieb entlud sich krachend auf seiner Nase. Der Nasenkamm brach auf. Was ist das? Blut! Blut schoss aus seiner Nase. Ein Gefühl wie im Rausch! Er wich langsam zurück. Das Zeichen für mich: Fight! Nachsetzen. Er durfte sich nicht mehr erholen. Ein kräftiger Tritt auf die kurze Rippe raubte ihm für den Bruchteil einer Sekunde jegliche Luft zum Atmen. Er bekam seine Arme gar nicht mehr hoch. Fight! Der nächste rechte Schlag prallte hart auf sein Jochbein. Fight! In der Rückwärtsbewegung versuchte er, noch zwei Fausttreffer auf meinem Kopf zu landen, doch seine Schlagkraft hatte bereits merklich nachgelassen. Ich hatte ihn! Und ich konnte ahnen, was in seinem Kopf vorgehen würde: Flight! Flucht! Rückzug!
    Die nächste Welle brandete auf. Links, rechts zum Kopf, Fußtritt zum Oberkörper. Die Wucht dieser Volltreffer schleuderte ihn nach hinten. Die nächste Platzwunde. Über seinem Auge. Das Blut lief. Kämpfe! Kämpfe!
    Dumpf, hart und gewaltig knallte seine Faust in mein Gesicht. Was war das? Der Kerl war doch am Ende! Meine beiden Vorderzähne wackelten – ein Stück schien weg gebrochen zu sein. Fight! Links, rechts – ein Fußtritt mit voller Wucht auf seinen Brustkorb. Er schnappte erneut nach Luft und taumelte rückwärts. Sein Widerstand schien endlich gebrochen.
    Links, rechts, links, rechts! Perfekt getimt! Voll in sein Gesicht. Die Fäuste explodierten in seiner Visage. Er blutete aus unzähligen Wunden. Die Nase, der Nasenrücken, seine Oberlippe, die linke Augenbraue – überall Blut! Ich hatte ihn gebrochen. Ihn, seinen Widerstand, seine große Klappe – alles! Links gestreckt, rechter Schwinger. Fight!
    Er stolperte nach hinten knallte gegen den Beton und lehnte fast regungslos mit dem Rücken an der Wand. Stehend k.o. Er stand da, taumelnd, und konnte sich nur noch an die Wand gestützt auf den Beinen halten. Seine Arme hingen kraftlos an ihm herab. Mit der nächsten Schlagfolge hätte ich ihn vermutlich bewusstlos geschlagen. Erheblich schwerer verletzt. Aber das wollte ich nicht. Es war nichts Persönliches. Kein Hass, keine Feindschaft – nur ein Kampf. Eine Kneipenschlägerei. Und ich hatte gesiegt. Ich beugte mich zu ihm vor. »Hab ich dir nicht gleich gesagt, du sollst abhauen? Das hast du jetzt davon. Los, verschwinde!«
    Mitten in dem Kampf – das sehe ich noch wie heute –, an dem Punkt, als ich spürte, ihn zu bezwingen, wurde ich von einem starken Glücksgefühl durchströmt. Erhabenheit. Stolz. Überlegenheit. Alle Angst war plötzlich abgefallen. Nicht die Angst, verletzt zu werden, sondern die Angst, zu verlieren und die selbst auferlegte Prüfung nicht zu packen. Die Angst vor einer Blamage. Angst, vor den Jungs nicht bestehen zu können und in der Gruppenhierarchie womöglich abzusteigen. An diesem Punkt schien es, als ob das Adrenalin durch Endorphine verdrängt wurde. Und genau in diesem Moment – das konnte ich genau spüren – veränderte sich mein Gesichtsausdruck. Die Anspannung fiel weg – und ich musste lächeln. Während ich weiter auf ihn

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