Gewalt ist eine Loesung
getan!
Der Polizist in mir musste endlich wieder in Erscheinung treten. Der Polizist Schubert sollte schleunigst alle Optionen durchspielen. Zur Besinnung kommen. Klar denken. Analysieren. Handeln. Endlich das Ruder übernehmen. Das hatte mir in der Vergangenheit immer aus der Patsche geholfen.
Und dann wurde mir auf einmal ganz flau. »Paul, wir haben Scheiße gebaut. Nicht nur wegen der netten Oma.« Paul schaute erschrocken auf. »Hörst du, wir haben richtig Scheiße gebaut! Der gesamte Bahnhofsbereich, die Bahnsteige, die Halle, der Vorplatz – alles ist mit Kameras überwacht.« Ich fühlte mich plötzlich ertappt. Erwischt. Erledigt. »Wir sind doch beide bekannt wie die bunten Hunde. Wenn uns jemand auf den Überwachungsbändern erkennt, war es das. Dann sind wir beide fällig!« Ich konnte es nicht fassen. Was für eine grenzenlose Dummheit! Da waren wir die vergangenen Jahre mit jeder blöden Schlägerei durchgekommen und nun sollten wir wegen eines überflüssigen Kofferdiebstahls überführt werden? Nur weil wir zwei Vollidioten eine alte Oma beklaut hatten?
In meinem Kopf spielten sich schlagartig unzählige Szenarien ab. Eine Lösungsmöglichkeit allerdings wollte nicht auftauchen, obwohl ich durch diesen plötzlichen Adrenalinschub von einem Moment auf den anderen wieder nüchtern wurde. Und dann fasste ich einen Entschluss: »Paul, wir bringen die Koffer zurück. Wir stellen alles als großes Missverständnis dar und versuchen so, einer Strafanzeige zu entgehen.«
Wir bestellten uns ein Taxi und ließen uns zur Bahnpolizei am Hauptbahnhof fahren. Unterwegs besprachen wir, dass ich bei der Polizei das Reden übernehmen würde – denn einen Fehler, eine unbedarfte Äußerung konnten wir uns jetzt nicht mehr erlauben. Die Lage war nun wirklich ernst.
Es waren in der Zwischenzeit schon zwei Stunden vergangen, seit der Zug aus Münster in Bielefeld eingefahren war. Das hieß auch, dass wir diese beiden Koffer seit zwei Stunden mit uns führten. Wie wollten wir das der Bahnpolizei erklären? Wir betraten die Bahnpolizeiwache. Jetzt hieß es, konzentriert zu sein. Nur ein Fehler könnte das Ende meiner Polizeilaufbahn bedeuten. Ich konnte es immer noch nicht fassen – wegen eines gestohlenen Koffers. Wie bescheuert! Die Polizistin hinter der Eingangstheke musterte uns kritisch. Ich grüßte höflich. Nun kam es darauf an. »Guten Abend. Wir wollen diese beiden Koffer hier abgeben. Wir haben heute einer älteren Frau beim Aussteigen und Tragen geholfen und die Dame dann in dem Chaos auf dem Bahnhof aus den Augen verloren. Deswegen bringen wir das Gepäck zu Ihnen, vielleicht hat sie sich ja hier gemeldet.« Der erste Schachzug war gemacht.
Der Blick der Polizistin wurde noch misstrauischer und wanderte ständig zwischen den Koffern und uns hin und her. Sie glaubte mir kein Wort, das konnte ich spüren. »Ja, die Frau war hier. Aber bereits vor über zwei Stunden. Und wo waren Sie die ganze Zeit mit den Koffern?« Jetzt kam es darauf an: »Meinem Freund ging es nicht gut.« Ich zeigte auf Paul, der seinen derangierten Zustand nicht verbergen konnte. Und auch nicht verbergen sollte. »Er hat zu viel getrunken. Deswegen sind wir hinter die Stadthalle in den Park gegangen und dort hat er sich dann übergeben.«
Die Polizistin musterte uns höhnisch: »Zwei Stunden lang. Dieser Mann hat sich also zwei Stunden übergeben?« Sie glaubte uns noch immer nicht. »Na ja, er hat auch noch etwas Zeit gebraucht, um sich wieder einigermaßen zu erholen. Und kaum ging es ihm besser, hat er sofort wieder zwei Bier geholt. Dabei haben wir dann wohl ein bisschen die Zeit vergessen.«
Die Polizistin hob den ersten Koffer auf die Theke, öffnete ihn, und kontrollierte den Inhalt. Sie ließ uns keine Sekunde aus den Augen. »Entschuldigung, aber der ist ja total durchwühlt! Haben Sie den Koffer etwa geöffnet?« Wundervoll! Wir hatten doch tatsächlich vergessen, wieder etwas Ordnung in den Koffer zu bringen. Wie sollte ich das nur erklären?
»Wir haben nach den Papieren oder einer Telefonnummer der Frau gesucht.« Die Polizistin durchbohrte uns geradezu mit ihren Blicken: »Haben Sie etwas entnommen?« Noch bevor ich etwas Unverfängliches hätte antworten können, preschte Paul hervor: »Nein, alles noch da! Auch der Goldschmuck ist noch drin.« Oh Gott! Wie unauffällig, Paul. Musste das sein? Die Beamtin nahm unsere Personalausweise und notierte sich die Daten. Nach Minuten des Schweigens erhob sie wieder ihre
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