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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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Mädchen, das einfach dazugehörte. Sie war häufig mal beim Fußball dabei und stellte sich – besonders bei längeren Fahrten nach Hamburg oder Berlin – oft als Fahrerin zur Verfügung.
    Der Abend begann locker und entspannt. Bier, zwischendurch einen Wodka pur und danach unser Standardgetränk: Wodka-Apfelsaft – in großen Mengen. Kurz vor Mitternacht gingen wir dann raus auf die Straße, um das neue Jahr mit viel Radau und Raketen zu begrüßen. Da Frank in einem dicht besiedelten Wohngebiet lebte, war die ganze Straße voll mit feiernden Menschen. Man umarmte sich und wünschte sich ein gutes, glückliches neues Jahr. Alles nahm bis dahin seinen geordneten Lauf. Unsere Fünfergruppe schoss mit Leuchtstiften Signalmunition und Vogelschreck in den Nachthimmel. Zwischen den eng stehenden Häusern verursachte das eine beeindruckende Geräuschkulisse. Der Vogelschreck wurde eigentlich von Winzern eingesetzt, um Vögel zu verjagen. Man muss sich den Leuchtstift wie einen Kugelschreiber vorstellen: Vorne schraubt man die Patrone auf und zieht mit zwei Fingern den Verschluss zurück. Der schießt dann nach vorne und zündet die Patrone. Die Munition fliegt etwa 50 Meter weit, um dann mit einem ohrenbetäubenden Knall zu explodieren.
    Der Leuchtstift konnte auch mit Signalmunition bestückt werden. Eigentlich für Menschen in Seenot konzipiert, war das Gerät in Fußballkreisen sehr beliebt. Es war klein, unauffällig, passte in jede Tasche und war zu jener Zeit problemlos in die Stadien zu schmuggeln. Nicht um Notsituationen anzuzeigen, sondern um vor Schlägereien gegnerische Blocks zu beschießen.
    Nach der Knallerei und einem Wodka auf dem Weg machten wir uns auf ins »Cobra«. Kein Wort über Marks Party oder die englischen Soldaten. Das war für uns kein Thema mehr. Wir gingen einfach los, quatschten ein bisschen und steuerten in Richtung Innenstadt. Und da stand dann Marks Partyzelt …
    Musik und Gelächter, laute Stimmen brandeten uns entgegen. Die Stimmung schien gut sein. Nun fiel uns die ganze Geschichte wieder ein. »Schau an, hier sind ja die englischen Soldaten, mit denen es angeblich Ärger gibt, wenn wir hier aufkreuzen …« Frank musste laut loslachen: »Dann wollen wir doch gleich mal ein Bier trinken und ein bisschen in die Runde gucken. Mal sehen, was sich so ergibt.«
    Schon aus 50 Metern Entfernung konnte ich Mark im Eingangsbereich stehen sehen. Er entdeckte uns, erschrak, wurde von einem Moment auf den anderen kreidebleich und verschwand hektisch im Zeltinneren. Wir gingen entspannt weiter und waren nur wenige Meter vor dem Eingang, als plötzlich die Zeltplane zurückgeschoben wurde und uns 15 englische Soldaten entgegenstürmten.
    Sie trugen selbstverständlich keine Uniformen, aber uns war sofort klar, mit wem wir es da zu tun hatten. Jeans, kurzärmelige T-Shirts – auch in einer kalten Silvesternacht – , kurzrasierte Schädel und pures Adrenalin in den alkoholisierten Augen. Engländer! Ich blickte über ihre Köpfe hinweg und sah, dass das Zelt mit mehr als 100 Leuten randvoll besetzt war. Und alle starrten sie wie gebannt in Richtung Eingang.
    Ich weiß bis heute nicht, was die Veranstalter den Engländern erzählt hatten. Und ich weiß auch nicht, was die Briten von uns erwarteten. Wir waren nur fünf Jungs und einer von uns – Fred – war zu dem Zeitpunkt schon derart betrunken, dass er im Grunde ein Totalausfall war. Und dann war da noch Karin, die auch nicht gerade dazu geeignet schien, einen Trupp englischer Soldaten in die Flucht zu schlagen. Und was wollten wir denn? Ein Bierchen trinken.
    Die Engländer schienen so heiß auf eine Schlägerei zu sein, dass sie sich gegenseitig zur Seite rempelten, um auch sicher einen von uns vor die Flinte zu bekommen. Sie stürmten wie besessen aus dem Zelt hinaus und attackierten uns ohne jede Vorwarnung.
    Frank stand links neben mir. Ich konnte gerade noch aus den Augenwinkeln sehen, wie drei Engländer gleichzeitig an ihm zerrten und ihn zur Seite zogen, als sich zwei Briten vor mir aufstellten und mich heftig vor die Brust stießen. Fred war so besoffen, dass er 20 Meter vor dem Zelt in ein Gebüsch kotzen musste, der Koch war irgendwie verschwunden und Paul in dem ganzen Aufruhr einfach untergegangen. Noch war es keine richtige Schlägerei, aber alle Zeichen standen jetzt auf Sturm.
    Die Engländer beschimpften uns: »You bastards! Fuck off, you fuckin’ German wankers!« Viel mehr war in diesem Getümmel gar nicht zu verstehen.

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