Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
Vom Netzwerk:
anderen Fahrgäste schauten uns entsetzt an. Ich hatte zwar versucht, mein Gesicht mit Taschentüchern notdürftig zu säubern, aber im Grunde hatte ich alles nur noch mehr verschmiert. Die Straßenbahn benötigte 15 Minuten in die Innenstadt. Wir waren uns immer noch einig, dass wir diese Scheißer von Engländern damit nicht durchkommen lassen wollten. Es war schon 2 Uhr nachts, als wir das »Cobra« erreichten. In kürzester Zeit bildete sich eine ganze Traube besorgter und neugieriger Jungs um
uns herum.
    Frank konnte und wollte seine Wut noch immer nicht kontrollieren. »Los, kommt mit. Wir wurden von 20 englischen Soldaten zusammengeschlagen. Wir fahren zurück und reißen das ganze Scheiß-Zelt ab!« Darum musste er nicht zweimal bitten, denn unsere Stammkneipe war wie immer gut besucht. Und die Jungs der Blue Army hatten allesamt gut vorgeglüht. Einige brachten an diesem Silvesterabend ausnahmsweise ihre Frauen mit und überlegten kurz, ob sie diese hier alleine zurücklassen konnten.
    Marius kam auf mich zu. Marius, einer der Gründungsmitglieder der Blue Army. Er nahm mich zur Seite, sah sich mein Auge an und forderte mich auf, die Geschichte zu erzählen. Marius wollte sichergehen, dass wir uns nicht peinlich verhalten und zu Recht eine Abreibung bekommen hatten. Er wollte die Bestätigung, dass wir nicht irgendein blindes Ding gestartet hatten. Denn für die Blue Army zählte tatsächlich so etwas wie Ehre, Recht und Ordnung. Auseinandersetzungen mit anderen mussten sinnhaft sein und dem ungeschriebenen Kodex dieser Gruppe entsprechen. Hätten wir dagegen verstoßen, dürften wir nicht auf die Unterstützung der Jungs hoffen.
    Ich schilderte Marius, wie die Geschichte sich zugetragen hatte. Am Ende meiner Ausführung schaute er mir in die Augen, legte seine Hand auf meine Schulter und nickte kurz: »Okay, wir fahren!« Er schaute auf, erhob sich und schrie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete: »Los, wir gehen!« Das »Cobra« leerte sich innerhalb von Sekunden. Getränkerechnungen blieben offen und Freundinnen wurden lapidar mit den Worten » Schatz, ich muss mal eben kurz weg « stehen gelassen. Die Blue Army war mit 30 Mann bereit.
    Noch einmal fuhren wir in dieser Nacht mit der Straßenbahn – aber in die entgegengesetzte Richtung. Ich schaute mir die Jungs an. Ein guter Haufen. Das müsste reichen. Es war von insgesamt 20 englischen Soldaten die Rede. Selbst wenn sich noch 10 oder 20 der normalen Partybesucher an der Schlägerei beteiligen würden, wären wir gut sortiert. Gut die Hälfte unserer Jungs waren ältere, erfahrene Fußballschläger. Jeder Einzelne von ihnen konnte sich locker mit zwei Engländern gleichzeitig einlassen. Der Rest war ein bunt gemischter Haufen, der in der Vergangenheit mal mehr oder mal weniger mit zum Fußball gefahren war. Die Straßenbahn erreichte die Endhaltestelle.
    Wir nahmen nicht die viel befahrene Hauptstraße, sondern einen dicht von Bäumen bewachsenen Fahrradweg, der parallel zur Straße verlief. Dies war unser Viertel – wir kannten jeden Schleichweg. Noch 250 Meter bis zum Zelt. Die Anspannung stieg von Schritt zu Schritt. Wir wollten es diesen bekackten Thommys zeigen. Aber mit jedem Meter, den wir uns dem Zelt näherten, machte ich mir auch Gedanken um all das, was dieser Schlägerei folgen könnte: Anzeigen, polizeiliche Ermittlungen – Strafverfahren. Denn eines war klar: Das Zusammentreffen mit den Engländern würde Ausmaße annehmen, die vom Staat nicht geduldet werden konnten.
    Da mich auf dieser Party viele Leute kannten, beschloss ich, mich komplett zu vermummen. Meine rot-blaue Wendejacke zog ich auf die blaue Seite. Wie so oft hatte ich ein Halstuch in meiner Jacken­innentasche – für alle Fälle. Ich vermummte mein Gesicht und lieh mir von meinem Kumpel Philipp noch spontan eine Zipfelmütze vom AC Brügge, die er bei einem Länderspiel in Brüssel geplündert hatte.
    Die AC-Brügge-Mütze schob ich bis zu den Augen hinunter und mein Halstuch knotete ich quer übers Gesicht. Noch 150 Meter. Ein Pärchen kam uns entgegen. Sie waren wohl auf dem Nachhauseweg von der Party – das Gesicht des jungen Kerls war mir bei der Schlägerei mit den Briten allerdings nicht aufgefallen. Vorne, links neben mir ging Tom. Er stellte sich sofort vor dem Pärchen auf: »Ey, du Arschloch. Warst du auch auf der Party?« Er stieß den jungen Kerl, der noch immer seine Freundin an der Hand hielt, mit beiden Händen vor die Brust. Ohne eine

Weitere Kostenlose Bücher