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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schubert Stefan
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einen Schreibraum und fertigte einen dreiseitigen Bericht an. Ich hatte zwischenzeitlich die Personalien des Drogenhändlers ermittelt und schrieb alles auf, was Thorsten mir an jenem Abend erzählt hatte. Ich gab an, diese Erkenntnisse von einem Schulfreund erhalten zu haben, den ich zufällig getroffen hatte. Der Bericht wurde über die interne Aktenverteilung an die Drogenfahndung weitergereicht, die umgehend mit der Observierung begann.
    Vier Wochen später wurde der Dealer auf dem Rückweg aus Holland von der Drogenfahndung kontrolliert und verhaftet. Er führte große Mengen Kokain und Ecstasy mit sich. Die Verhaftung wurde zwei Tage geheim gehalten, um an dem folgenden Samstag mit einem Großeinsatz die gesamte Techno-Disko auf den Kopf zu stellen. Bei der Razzia wurden weitere größere Drogenmengen sichergestellt und die Disko wurde noch am selben Abend für immer geschlossen. Wie ich aus Polizeikreisen erfuhr, soll der Dealer ein Jahr später wegen illegaler Einfuhr und gewerblichen Handels mit Betäubungsmitteln zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden sein. Und ich hatte meine Unschuld verloren.
    Kaum hatte ich mir mit dieser Aktion etwas Luft verschafft, erreichte mich eine schlimme Nachricht. Mein Jugendfreund Thomas, mit dem ich als Junge – damals im Schulbus – meine ersten Gewalt­erfahrungen gemacht hatte und dem ich nach der Schule zum BGS gefolgt war, lebte nicht mehr. Er war gegen seinen Willen nach Berlin versetzt worden und kam unter anderem damit nicht mehr zurecht. Er hatte sich mit 27 Jahren erschossen.
    Den Traum GSG 9 hatte ich ja zwangsläufig begraben müssen, als ich beim Bundesgrenzschutz ausgeschieden war. Aber es gab immer noch die Elite-Einheit der Landespolizei – das SEK. Einen Monat nach meiner Versetzung nach Bielefeld bewarb ich mich beim Spezialeinsatzkommando. Ein letzter Versuch, neue und gefährliche Herausforderungen zu bestehen und auch bei der Arbeit den von mir ersehnten Kick zu spüren. Geiselnahmen auflösen, Terrorismusbekämpfung, Mafia-Verhaftungen – das wäre schon eine andere Hausnummer gewesen als Verkehrskontrollen und Nachbarschaftsstreitereien bis zur Pensionierung.
    Die Chancen standen gar nicht so schlecht, denn das SEK war durch die sehr anspruchsvollen Einstellungstests, aber auch aufgrund der gefährlichen Aufgaben chronisch unterbesetzt. Für viele war die Bewerbung zum SEK nur ein Sprungbrett für die Versetzung in die Heimatstadt. Ich war davon überzeugt, diese Anforderungen zu erfüllen, denn ich war körperlich fit und ich fühlte mich – nicht zuletzt aufgrund meiner privaten Kampferfahrungen – psychisch in der Lage, Gefahrensituationen zu bewältigen.
    Meine Bewerbung zum SEK wurde von meiner Dienststelle sogar befürwortet. Meine Personalakte war schließlich noch immer makellos. Die Chancen standen also gar nicht schlecht. Aber es gab ein Problem: mein Doppelleben. Was wäre ich bereit zu tun? Was müsste ich tun, sollte sich mein Traum erfüllen? Ich musste eine Entscheidung treffen. Und ich traf eine. Sollte ich den Aufnahmetest bestehen, würde ich nicht mehr zum Fußball fahren. Dieser Lebensabschnitt wäre dann vorbei. Mir war bewusst, dass es keine halben Sachen mehr geben könnte. Dabei ging es mir nicht um ideologische oder moralische Beweggründe. Ich konnte all die Jahre meinen Beruf und meine Leidenschaft leben – fast ohne Skrupel und fast ohne Bedenken. Hier aber ging es um meine Karriere bei einer Elite-Einheit. Die würde ich nicht gefährden wollen, das wurde mir zu jener Zeit ganz deutlich bewusst. Dies wäre aber auch tatsächlich der einzige Grund gewesen, meine aufregende Zeit bei der Blue Army zu beenden.
    Den Auswahltest schaffte ich – nicht. Ich bestand alle sportlichen Prüfungen, fiel aber beim Schießen durch. Ein Treffer fehlte! Ein einziger Treffer, eine Kugel – und mein Leben hätte sich schlagartig verändert. Die Kommandoführung teilte mir mit, dass sie einen sehr guten Eindruck von mir gewonnen hätten und ich es unbedingt noch einmal versuchen solle. Das Schießen wäre eine reine Trainingssache – ich könnte, wann immer ich wollte, mit ihnen trainieren. Sie luden mich in den sensibelsten Bereich einer Polizeibehörde ein: die doppelt gesicherten Räumlichkeiten des SEK. Sie führten mich herum und zeigten mir ihre Spezialbewaffnung. Ein beeindruckendes Arsenal. Mein Traum schien zum Greifen nah. Die Entscheidung über meinen weiteren Lebensverlauf schob ich ein

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