Gewalt ist eine Loesung
noch nie erlebt. Was mochten diese Passanten denken?
Die Schlägerei dauerte nun schon Minuten. Beide hatten bereits unzählige Schläge eingesteckt und noch immer schien kein Ende in Sicht. Timo erwischte den Asiaten mit einem schweren rechten Schlag unterhalb des Jochbeins und schien infolge dieses Treffers zu explodieren. Er ließ dem Asiaten von einem Moment auf den anderen gar keine Möglichkeit mehr, sich zu wehren. Die nächste Salve harter Schläge prallte auf den Kopf von Timos Gegner. Links, rechts und ein Fußtritt direkt auf das Brustbein. Der Asiate schnappte deutlich hörbar nach Luft, als die nächste Links-Rechts-Kombination auf Kinn und Nase einschlug. Der Nasenrücken brach sofort auf und ließ das Blut geradezu strömen.
Timo machte einen Schritt nach vorne und traf die ungeschützte Leber seines Kontrahenten mit einem Drehkick. Der Widerstand des Asiaten war gebrochen – das war mir nach diesem Tritt sofort klar. Was, wenn Timo nicht aufhören würde? Mein Hamburger Kumpel brachte sich erneut in Position. Die Arme des Asiaten hingen kraftlos vor seinem Oberkörper. Er schaffte es nicht mehr, seine Hände schützend vors Gesicht zu halten. Er stand nur noch da wie ein Fleisch gewordener Sandsack.
Und Timo schlug erneut zu. Seine rechte Faust explodierte ungebremst und ungeschützt auf dem Kopf des Asiaten und hinterließ eine
verheerende Wirkung. Der junge Kerl flog einen Meter nach hinten und knallte mit dem Hinterkopf gegen ein schweres eisernes Rollgitter, das die Schaufensterscheibe eines Bademodengeschäfts schützte. Der Asiate war stehend k.o. und blutete aus zahlreichen Kopfwunden.
Lars bewegte sich auf Timo zu, um seinen Freund endlich zu stoppen, aber da setzte dieser schon zu seiner nächsten Attacke an. Timo streckte sein rechtes Bein hoch über den Kopf seines deutlich kleineren und bereits gekrümmten Gegners und ließ es wie ein Fallbeil herunterkrachen. Die Ferse seines Schuhs bohrte sich wie ein Hammer in die Schädeldecke des Asiaten, der noch in der Sekunde des Aufpralls sein Bewusstsein verlor.
Die Augen verdrehten sich, die Augenlider fielen runter und er sackte in sich zusammen. Er rutschte an den Eisenstäben des Schaufenstergitters herab. Seine Beine knickten einfach zur Seite und der arme Kerl fiel gänzlich unkontrolliert zu Boden. Der Kopf des Asiaten knallte dabei auf die Granitplatte des Schaufenstersimses und der Junge kam regungslos zum Liegen. Lars stürzte sich von hinten auf Timo und umklammerte ihn mit beiden Händen. »Los, es reicht Timo, es reicht. Hör auf. Hör auf. Der Junge hat genug.«
Es standen mittlerweile bestimmt 60 Leute in einem großen Halbbogen um uns herum. Sechzig Menschen, die unbeschwert Urlaub auf Mallorca machen wollten und in diesen Minuten Zeugen eines beispiellosen Gewaltexzesses geworden waren. Lars riss noch immer an Timo, der weiterhin auf den Asiaten fokussiert war. Ich blickte unserem Kumpel in die weit aufgerissenen Augen. Pupillen wie diese hatte ich bis dahin nur bei Leuten gesehen, die unter starkem Kokain-Einfluss standen. Das hier war kein Kokain – Timo befand sich in einem Gewaltrausch.
In seinem Gesicht war kein Rest von Skrupel oder Empathie mehr zu lesen. In seinen Adern schien nur noch Adrenalin zu pulsieren. Er blutete zwar aus zwei Wunden in seinem geschwollenen Gesicht – Schmerzen schien er jedoch keine zu spüren. Ganz in seinem dunklen Tunnel gefangen, war Timo nicht mehr ansprechbar. Er schaffte es noch nicht einmal, sich normal zu bewegen. Alles war wie erstarrt und völlig erkaltet …
Den Ausdruck in Timos Augen werde ich nie vergessen können. Was ich dort sah, war furchteinflößend und bedrohlich. Alles in ihm und alles an ihm war rohe Gewalt. Es war das Böse, was seit einiger Zeit schon in ihm geschlummert hatte. Er kannte keine Grenzen mehr. Es gab kein Mitgefühl, keine Rücksicht, keine Gnade und keinerlei gesellschaftliche Konventionen mehr. Nur noch Gewalt.
Als die Polizei eintraf, war es in der Menschenmenge totenstill. Lars führte Timo unauffällig vom Tatort. Sie passierten im Abstand von nur wenigen Metern die heranrückende Polizei. Paul und ich folgten den beiden unter den entsetzten Augen unzähliger Menschen, von denen sich keiner getraute, etwas zu sagen. Niemand rief nach der Polizei oder zeigte mit dem Finger auf die Täter, die sich langsam davonschlichen. Es geschah einfach nichts. Da war nur diese unnatürliche Stille.
Den Schock der unbeteiligten Zuschauer konnte ich zum
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