Gewalt
Wrong
[»Die gute Nachricht lautet: Die schlechte Nachricht ist falsch«],
It’s Getting Better All the Time
[»Es wird immer besser«],
The Good Old Days – They Were Terrible!
[»Die gute alte Zeit – sie war schrecklich!«],
The Case for Rational Optimism
[»Gründe für einen rationalen Optimismus«],
The Improving State of the World
[»Der sich bessernde Zustand der Welt«],
The Progress Paradox
[»Das Fortschrittsparadox«] sowie in jüngster Zeit
The Rational Optimist
[dt.
Wenn Ideen Sex haben: Wie Fortschritt entsteht und Wohlstand vermehrt wird
] von Matt Ridley und
Getting Better
[»Besser werden«] von Charles Kenny. [1955]
Diese Fürsprecher der Moderne berichten darüber, was für eine Prüfung das Alltagsleben war, bevor es Wohlstand und Technologie gab. Unsere Vorfahren, daran erinnern sie uns, waren von Läusen und Parasiten befallen und lebten über einem Keller, in dem sich ihre eigenen Exkremente häuften. Das Essen war fade, eintönig und nur unregelmäßig verfügbar. Die medizinische Versorgung bestand aus der Knochensäge des Arztes und der Zange des Zahnarztes. Beide Geschlechter schufteten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, und anschließend waren sie von Dunkelheit umgeben. Winter bedeutete mehrere Monate mit Hunger, Langeweile und quälender Einsamkeit in verschneiten Bauernhäusern.
Aber unsere Vorfahren mussten noch vor nicht allzu langer Zeit nicht nur die banalen körperlichen Annehmlichkeiten entbehren. Ihnen fehlten auch die höheren, edlen Dinge des Lebens wie Wissen, Schönheit und zwischenmenschliche Bindungen. Noch vor nicht allzu langer Zeit entfernten sich die meisten Menschen nie weiter als ein paar Kilometer von ihrem Geburtsort. Niemand wusste etwas über die ungeheuren Weiten des Kosmos, die Vorgeschichte der Zivilisation, die Stammesgeschichte der Lebewesen, den genetischen Code, die Welt des mikroskopisch Kleinen oder die Bausteine von Materie und Leben. Musikaufnahmen, bezahlbare Bücher, sofortige Nachrichten aus der ganzen Welt, Reproduktionen großer Kunstwerke und Filmdramen waren unvorstellbar, ganz zu schweigen von ihrer Verfügbarkeit in einem Gerät, das in eine Hemdtasche passt. Wenn Kinder auswanderten, sahen ihre Eltern sie möglicherweise nie mehr wieder, hörten nie mehr ihre Stimme und lernten nie ihre Enkelkinder kennen. Und dann sind da die Geschenke der Moderne an das Leben selbst: zusätzliche Lebensjahrzehnte, Mütter, die am Leben bleiben und ihr Neugeborenes sehen, Kinder, die das erste Jahr auf Erden überleben. Wenn ich heute in Neu-England über alte Friedhöfe schlendere, bin ich immer wieder verblüfft über die vielen winzigen Gräber und die rührenden Grabinschriften. »Elvina Maria, gestorben am 12 . Juli 1845 im Alter von 4 Jahren und 9 Monaten.
Vergebt mir die Tränen, hier weint eine Mutter. An diesem Ort schläft das verblichene Blümlein.
«
Aber obwohl es so viele Gründe gibt, warum kein Romantiker wirklich in eine Zeitmaschine steigen würde, waren die Nostalgiker immer in der Lage, die moralische Karte zu spielen: das gewaltige Ausmaß der Gewalt unserer Zeit. Wenigstens, so sagen sie, mussten unsere Vorfahren sich keine Sorgen um Raubüberfälle, amoklaufende Schüler, Terroranschläge, Holocaust, Weltkriege, Schlachtfelder, Napalm, Gulag und die nukleare Vernichtung machen. Mit Sicherheit ist doch keine Boeing 747 , kein Antibiotikum, kein iPod das Leiden wert, das moderne Gesellschaften und ihre Technologie hervorrufen können.
Damit sind wir bei dem Grund, warum eine unsentimentale Betrachtung der Geschichte und die Fähigkeit, Statistiken zu lesen, unseren Blick auf die Moderne verändern können. Sie zeigen, dass die Nostalgie für eine friedliche Vergangenheit die größte aller Täuschungen ist. Heute wissen wir, dass indigene Völker, deren Leben in Kinderbüchern so romantisch dargestellt wird, durch ihre Konflikte unter einer Quote von Todesfällen zu leiden hatten, die größer war als die unserer Weltkriege. Die romantischen Vorstellungen vom mittelalterlichen Europa übersehen die raffiniert gestalteten Folterinstrumente und wissen nichts davon, dass das Risiko, ermordet zu werden, zu jener Zeit dreißigmal größer war als heute. In den Jahrhunderten, auf die sich die Nostalgie der Menschen richtet, wurde der Frau eines Ehebrechers unter Umständen die Nase abgeschnitten, ein siebenjähriges Mädchen konnte wegen des Diebstahls eines Unterrocks gehenkt werden, der Familie eines Häftlings wurde unter
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