Gewalt
Übungsplatz für Krieger, sondern als Dienst am Gemeinwesen. [649] Payne stellte eine Statistik über die Länge des Wehrdienstes zwischen 1970 und 2000 in 48 schon lange bestehenden Staaten zusammen, und ich habe die Angaben für 2010 aktualisiert. Wie man daran erkennt, war die Wehrpflicht schon rückläufig, bevor der Kalte Krieg Ende der 1980 er Jahre zu Ende ging. Unter den erfassten Staaten kamen 1970 nur 19 Prozent ohne Wehrpflicht aus. Der Anteil stieg bis 2000 auf 35 und bis 2010 auf 50 Prozent, und bald wird er über 50 Prozent liegen, da mindestens zwei weitere Staaten (Polen und Serbien) die Wehrpflicht Anfang der 2010 er Jahre abschaffen wollen. [650]
Abbildung 5 – 19 :
Dauer des Militärdienstes in 48 größeren, seit langem existierenden Nationen, von 1970 bis 2010
Ein weiterer Indikator für die Kriegsbereitschaft ist die Größe der Streitkräfte eines Staates im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl, ganz gleich, ob die Soldaten durch Wehrpflicht herangezogen wurden oder ob man Freiwilligen mit Fernsehwerbespots verspricht, sie könnten dieses oder jenes werden. Wie Payne nachgewiesen hat, ist der Anteil der Bevölkerung, den ein Staat in die Uniform steckt, der beste Maßstab für seine ideologische Hinwendung zum Militarismus. [651] Als die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg die Mobilisierung aufhoben, stellten sie sich im Kalten Krieg gegen einen neuen Feind, und die Truppenstärke sank nie mehr auf das Vorkriegsniveau. Wie man aber an Abbildung 5 - 20 erkennt, geht der Trend seit Mitte der 1950 er Jahre steil nach unten. In Europa investierte man sogar noch früher immer weniger Humankapital in den militärischen Sektor.
Abbildung 5 – 20 :
Truppenstärke in den Vereinigten Staaten und Europa von 1950 bis 2000
Auch andere große Staaten, darunter Australien, Brasilien, Kanada und China, verkleinerten während dieses halben Jahrhunderts ihre Streitkräfte. Nach dem Ende des Kalten Krieges nahm der Trend globale Ausmaße an: Von einem Spitzenwert – mehr als neun Militärpersonen je 100 000 Einwohner im Jahr 1988 – sank der Durchschnittswert aller schon lange bestehenden Länder auf weniger als 5 , 5 im Jahr 2001 . [652] Ein Teil der Einsparungen kam dadurch zustande, dass Funktionen wie Wäscherei und Lebensmittelversorgung, die nicht unmittelbar mit den Kampfhandlungen zu tun haben, an private Vertragsunternehmen ausgelagert wurden, und in den reichsten Ländern wurden Soldaten zum Teil durch Roboter und Drohnen ersetzt. Dennoch liegt das Zeitalter der Roboter-Kriegsführung noch weit in der Zukunft, und die Ereignisse der jüngsten Zeit haben gezeigt, dass die Zahl der verfügbaren Stiefel am Boden nach wie vor eine wichtige Einschränkung für die Zukunftsplanung der amerikanischen Streitkräfte darstellt. Übrigens ist die immer stärkere Verwendung von Robotern für militärische Zwecke auch selbst eine Ausdrucksform des Trends, den wir hier untersuchen. Die Staaten haben diese Technologie mit ungeheuren Kosten entwickelt, weil das Leben ihrer Bürger (und, wie wir noch sehen werden, auch der Bürger anderer Länder) wertvoller geworden ist.
Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.
Wahlspruch der UNESCO
Ein weiterer Anhaltspunkt, dass der Lange Frieden kein Zufall ist, ergibt sich aus einer Reihe von Plausibilitätsprüfungen: Sie bestätigen, dass sich die Mentalität der politisch Verantwortlichen wie auch der Bevölkerung verändert hat. Alle Bestandteile der kriegsfreundlichen Geisteshaltung – Nationalismus, territoriale Ansprüche, eine internationale Kultur der Ehre, die allgemeine Befürwortung von Kriegen und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Preis an Menschenleben – wurden in den Industriestaaten während der zweiten Hälfte des 20 . Jahrhunderts unmodern.
Das erste folgenschwere Ereignis war die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch 48 Staaten im Jahr 1948 . Die Erklärung beginnt mit folgenden Artikeln:
Artikel 1
: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.
Artikel 2
: Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder
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