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Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Titel: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marshall B. Rosenberg
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gerade eine Bewertung abgegeben hatte. Für die meisten von uns ist es schwierig, Menschen und deren Verhalten in einer Weise zu beobachten, die frei ist von Verurteilung, Kritik oder anderen Formen der Analyse.
    Mir wurde diese Schwierigkeit deutlich vor Augen geführt, als ich an einer Grundschule arbeitete, wo das Lehrerkollegium und der Direktor immer wieder von Kommunikationsproblemen berichteten. Der Schulrat hatte mich gebeten, bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen. Zuerst sollte ich mit den Lehrern allein sprechen und dann mit den Lehrern und dem Direktor gemeinsam.
    Ich eröffnete das Meeting mit der Frage an die Lehrer: „Was tut der Direktor, durch welche Handlung gerät er in Konflikt mit Ihren Bedürfnissen?“ „Er hat eine große Klappe!“, war die umgehende Antwort. Ich hatte nach einer Beobachtung gefragt, und auch wenn mir die „große Klappe“ etwas darüber sagt, wie der Lehrer seinen Direktor beurteilt, gibt sie mir keine Auskunft darüber, was der Direktor konkret gesagt oder getan hat, was wiederum zur Interpretation des Lehrers, „er hat eine große Klappe“, geführt hat.

    Als ich darauf hinwies, bot eine Lehrerin an: „Ich weiß, was er meint, der Direktor redet zuviel!“ Statt einer klaren Beobachtung war auch dies eine Bewertung, nämlich davon, wieviel der Direktor redet. Dann erklärte eine weitere Lehrerin: „Er meint, nur er hätte etwas Wichtiges zu sagen.“ Ich erläuterte, daß es nicht das gleiche ist, zu interpretieren, was jemand anders denkt, und sein Verhalten zu beobachten. Schließlich wagte es noch ein Lehrer: „Er will immer, daß sich alles um ihn dreht.“ Nachdem ich anmerkte, daß auch dies eine Interpretation sei – davon was jemand anders möchte – platzten zwei Lehrer gleichzeitig heraus: „Also, Ihre Frage ist aber wirklich schwer zu beantworten!“
    Anschließend erarbeiteten wir gemeinsam eine Liste mit dem genau beschriebenen Verhalten des Direktors, das sie störte, und überprüften noch mal, daß die Liste frei von Bewertungen war. Zum Beispiel erzählte der Direktor während der Fachbereichstreffen Geschichten aus seiner Kindheit und seinen Kriegserlebnissen, wodurch die Meetings manchmal zwanzig Minuten länger als geplant dauerten. Als ich sie fragte, ob sie dem Direktor ihren Unmut jemals mitgeteilt hätten, antworteten die Lehrer, daß sie es versucht hätten, aber nur mit bewertenden Kommentaren. Sie hatten nie spezifisches Verhalten angesprochen – wie z.B. sein Geschichtenerzählen – und waren damit einverstanden, es bei unserem anschließenden gemeinsamen Treffen anzusprechen.
    Kaum hatten wir mit dem gemeinsamen Meeting angefangen, sah ich, was die Lehrer gemeint hatten. Egal was gerade diskutiert wurde, der Direktor unterbrach jedesmal: „Das erinnert mich an die Zeit, als ...“ und leitete dann gleich über zu einer Geschichte aus seiner Kindheit oder aus dem Krieg. Ich wartete darauf, daß das Kollegium seinen Mißmut über das Verhalten des Direktors zur Sprache bringen würde. Doch statt Gewaltloser Kommunikation wandten sie Sprachlose Verdammung an. Manche verdrehten ihre Augen; andere gähnten übertrieben; einer starrte auf seine Uhr.
    Als ich dieses schmerzliche Szenario nach einer Weile nicht mehr ertragen konnte, fragte ich: „Möchte nicht jemand etwas sagen?“ Es entstand eine peinliche Stille. Der Lehrer, der bei unserem vorangegangenen Treffen als erster gesprochen hatte, nahm seinen Mut zusammen, schaute den Direktor an und sagte: „Ed, du hast eine große Klappe.“
    Wie diese Geschichte anschaulich zeigt, ist es nicht immer einfach, unsere alten Gewohnheiten abzulegen und die Fähigkeit zu meistern, Beobachtung von Bewertung zu trennen. Nach einer Weile gelang es den Lehrern, dem Direktor klarzumachen, welche spezifische Handlung zu ihren unguten Gefühlen führte. Der Direktor hörte genau zu und drängte dann: „Warum hat mir das noch nie einer gesagt?“ Er gab zu, daß er sich seiner Gewohnheit, Geschichten zu erzählen, bewußt war, und fing dann an mit einer Geschichte über diese Gewohnheit! Ich unterbrach ihn (freundlich) mit meiner Beobachtung, daß er das gleiche wieder tue. Am Ende des Meetings entwickelten wir Möglichkeiten, wie die Lehrer – auf liebenswürdige Weise – ihren Direktor wissen lassen konnten, wann seine Geschichten nicht erwünscht waren.

Beobachtungen von Bewertungen unterscheiden
    Die folgende Tabelle unterscheidet Beobachtungen, getrennt von Bewertungen, und

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