Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
Beobachtungen, vermischt mit Bewertungen.
Kommunikation
Beispiele: Beobachtung vermischt mit Bewertung
Beispiele: Beobachtung getrennt von Bewertung
1. Gebrauch des Verbs sein ohne Anzeichen, daß der Bewertende die Verantwortung für seine Bewertung übernimmt
Du bist zu großzügig.
Wenn ich sehe, daß du all dein Essensgeld weggibst, finde ich, daß du zu großzügig bist.
2. Gebrauch von Verben mit bewertendem Beigeschmack
Toni schiebt die Dinge vor sich her.
Toni lernt für ihre Prüfungen erst am Abend vorher.
3. Annahme, daß die eigene Meinung über die Gedanken, Gefühle, Absichten oder Wünsche von jemand anderem die einzig gültige ist
Sie schafft ihre Arbeit bestimmt nicht.
Ich glaube nicht, daß sie ihre Arbeit schafft. Oder: Sie hat gesagt: „Ich werde meine Arbeit nicht schaffen.“
4. Annahme mit gesichertem Wissen vermischen
Wenn du dich nicht ausgewogen ernährst, nimmt deine Gesundheit Schaden.
Wenn du dich nicht ausgewogen ernährst, befürchte ich, daß deine Gesundheit vielleicht Schaden nimmt.
5. Keine genaue Bestimmung von Personen innerhalb einer Bezugsgruppe
Ausländer kümmern sich nicht um ihr Eigentum.
Ich habe noch nicht gesehen, daß die ausländische Familie aus der Rosenstraße 16 den Schnee auf ihrem Bürgersteig wegschaufelt.
6. Benutzen von Wörtern, die eine Fähigkeit bezeichnen, ohne klarzumachen, daß hier bewertet wird
Harry Schmidt ist ein schlechter Fußballspieler.
Harry Schmidt hat die letzten 20 Spiele kein Tor mehr geschossen.
7. Benutzen von Adverbien und Adjektiven auf eine Art, die nicht deutlich macht, daß es sich um eine Bewertung handelt
Jochen ist häßlich.
Jochens Äußeres zieht mich nicht an.
Anmerkung: Die Wörter immer, nie, jemals, jedesmal usw. drücken eine Beobachtung aus, wenn sie wie folgt angewendet werden:
Jedesmal, wenn ich Matthias am Telefon beobachtet habe, hat er mindestens 30 Minuten lang telefoniert.
Ich kann mich nicht daran erinnern, daß du mir jemals geschrieben hast.
Manchmal werden solche Wörter als Übertreibungen benutzt. In dem Fall vermischen sich dann Beobachtungen mit Bewertungen:
Du bist immer so fleißig.
Sie ist nie da, wenn man sie braucht.
In ihrer Funktion als Übertreibungen provozieren diese Wörter oft eher Abwehr statt Mitgefühl.
Wörter wie häufig und selten können auch dazu beitragen, daß Beobachtung mit Bewertung verwechselt wird.
Bewertungen
Beobachtungen
Du machst selten das, was ich möchte.
Die letzten drei Male, wo ich eine Unternehmung vorgeschlagen habe, hast du gesagt, du hättest keine Lust dazu.
Er kommt häufig vorbei.
Er kommt mindestens dreimal die Woche vorbei.
Zusammenfassung
Die erste Komponente der GFK erfordert das Auseinanderhalten von Beobachtung und Bewertung. Wenn wir eine Beobachtung mit einer Bewertung vermischen, können andere leicht Kritik hören und wehren das ab, was wir sagen wollen. GFK ist eine prozeßorientierte Sprache, die statische Verallgemeinerungen eher verhindert. Statt dessen sollten Beobachtungen auf einen Zeitrahmen und auf den Zusammenhang bezogen werden, z.B. bekommt „Harry Schmidt hat die letzten 20 Spiele kein Tor mehr geschossen“ den Vorzug vor „Harry Schmidt ist ein schlechter Fußballspieler“.
Gewaltfreie Kommunikation in der Praxis: „Der arroganteste Redner, den wir je hatten!“
Dieser Dialog fand in einem meiner Workshops statt. Nach einer halben Stunde Präsentation machte ich eine Pause, damit die Teilnehmer etwas sagen konnten. Einer hob die Hand und erklärte: „Sie sind der arroganteste Referent, den wir je hatten!“
Wenn Leute mich so ansprechen, dann stehen mir verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Eine Möglichkeit ist, diese Aussage persönlich zu nehmen; ich weiß, daß ich das dann tue, wenn ich den starken Wunsch habe, entweder um etwas herumzureden, mich zu verteidigen oder mich zu entschuldigen. Eine andere Möglichkeit (auf die ich sehr gedrillt wurde) ist, die andere Person anzugreifen für das, was ich als ihren Angriff gegen mich betrachte. In dieser Situation entschied ich mich für eine dritte Möglichkeit und lenkte meine Aufmerksamkeit auf das, was sich möglicherweise hinter der Aussage des Mannes abspielte.
MBR: (Stellt Vermutungen über das an, was er beobachtet hat.) Sprechen Sie davon, daß ich 30 geschlagene Minuten für meine Präsentation gebraucht habe, bevor Sie eine Chance hatten, etwas zu sagen?
Teilnehmer: Nein, bei Ihnen klingt das alles so einfach.
MBR:
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