Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
(Versucht, mehr Klarheit zu bekommen.) Meinen Sie, daß ich gar nichts darüber gesagt habe, wie schwierig es für manche Leute ist, das Modell anzuwenden?
Teilnehmer: Nein, nicht für manche Leute – für Sie!
MBR: Sie sprechen also davon, daß ich nicht gesagt habe, daß das Modell auch mir manchmal Schwierigkeiten bereitet?
Teilnehmer: Ja, das stimmt.
MBR: Ärgern Sie sich, weil Sie gerne etwas gehört hätten, was darauf hindeutet, daß ich selbst mit dem Modell manchmal Probleme habe?
Teilnehmer: (nach einer kleinen Pause) Ja, das stimmt.
MBR: (Es entspannt mich, daß ich jetzt mit seinem Gefühl und Bedürfnis in Kontakt bin, und ich konzentriere mich darauf, was er eventuell von mir möchte.) Möchten Sie gerne, daß ich jetzt sofort zugebe, wie schwer es mir manchmal fällt, diesen Prozeß anzuwenden?
Teilnehmer: Ja.
MBR: (Ich habe seine Beobachtung, sein Gefühl, sein Bedürfnis und seine Bitte geklärt und schaue jetzt bei mir, ob ich bereit bin, seine Bitte zu erfüllen.) Ja, dieser Prozeß ist oft schwer für mich. Im Verlauf des Workshops werden Sie wahrscheinlich hören, wie ich verschiedene Situationen beschreibe, wo ich zu kämpfen hatte ... oder ganz den Kontakt verlor ... mit diesem Prozeß, diesem Bewußtsein, das ich Ihnen hier vorstelle. Was mich dennoch durchhalten läßt, sind die berührenden Verbindungen mit anderen Menschen, die entstehen, wenn ich mich an das Modell halte.
Übung 1: Beobachtung oder Bewertung?
Um Ihre Kompetenz in der Unterscheidung zwischen Beobachtung und Bewertung zu bestimmen, machen Sie bitte die folgende Übung: Markieren Sie die Numerierungen der Sätze, die eine reine Beobachtung ausdrücken – ohne jegliche Bewertung.
1. Karl war gestern völlig grundlos wütend auf mich.
2. Gestern abend hat Nina beim Fernsehen an ihren Nägeln gekaut.
3. Klaus hat mich während des Meetings nicht um meine Meinung gebeten.
4. Mein Vater ist ein guter Mensch.
5. Jenny arbeitet zuviel.
6. Hans ist aggressiv.
7. Christine war in dieser Woche jeden Tag die erste in der Warteschlange.
8. Mein Sohn putzt sich oft nicht die Zähne.
9. Franz hat zu mir gesagt, gelb steht mir nicht besonders.
10. Meine Tante klagt immer, wenn ich mit ihr spreche.
Hier sind meine Antworten zu Übung 1:
1. Wenn Sie die 1 markiert haben, dann stimmen wir nicht überein. Ich halte „grundlos“ für eine Bewertung. Darüber hinaus halte ich auch die Schlußfolgerung, daß Karl wütend war, für eine Bewertung. Er kann sich auch verletzt, traurig, ängstlich oder anders gefühlt haben. Beispiele für Beobachtungen ohne Bewertungen können so klingen: „Hans hat mir gesagt, daß er wütend war“ oder: „Hans hat mit der Faust auf den Tisch geschlagen.“
2. Wenn Sie die 2 markiert haben, dann stimmen wir darin überein, daß hier eine Beobachtung ausgedrückt wurde, die nicht mit einer Bewertung vermischt ist.
3. Wenn Sie die 3 markiert haben, dann stimmen wir darin überein, daß hier eine Beobachtung ausgedrückt wurde, die nicht mit einer Bewertung vermischt ist.
4. Wenn Sie die 4 markiert haben, stimmen wir nicht überein. Ich halte „guter Mensch“ für eine Bewertung. Eine Beobachtung ohne Bewertung könnte sein: „In den letzten 25 Jahren hat mein Vater ein Zehntel seines Einkommens für gute Zwecke ausgegeben.“
5. Wenn Sie die 5 markiert haben, stimmen wir nicht überein. Ich halte „zuviel“ für eine Bewertung. Eine Beobachtung ohne Bewertung könnte sein: „Jenny hat diese Woche mehr als 60 Stunden im Büro verbracht.“
6. Wenn Sie die 6 markiert haben, stimmen wir nicht überein. Ich halte „aggressiv“ für eine Bewertung. Eine Beobachtung ohne Bewertung könnte sein: „Hans hat seine Schwester geschlagen, als sie ein anderes Fernsehprogramm eingestellt hat.“
7. Wenn Sie die 7 markiert haben, dann stimmen wir darin überein, daß hier eine Beobachtung ausgedrückt wurde, die nicht mit einer Bewertung vermischt ist.
8. Wenn Sie die 8 markiert haben, stimmen wir nicht überein. Ich halte „oft“ für eine Bewertung. Eine Beobachtung ohne Bewertung könnte sein: „Mein Sohn hat zweimal diese Woche seine Zähne nicht geputzt, bevor er ins Bett gegangen ist.“
9. Wenn Sie die 9 markiert haben, dann stimmen wir darin überein, daß hier eine Beobachtung ausgedrückt wurde, die nicht mit einer Bewertung vermischt ist.
10. Wenn Sie die 10 markiert haben, stimmen wir nicht überein. Ich halte „klagt immer“ für eine Bewertung. Eine
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