Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Titel: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marshall B. Rosenberg
Vom Netzwerk:
nach dem Tod ihres Vaters: „Der tollste Mann, den ich nie kannte“. Damit drückt sie zweifelsohne die Gefühlslage vieler Menschen aus, die nie in der Lage waren, die emotionale Verbindung zu ihrem Vater aufzubauen, die sie gerne gehabt hätten.
    Ich höre immer wieder die Feststellung: „Verstehen Sie mich nicht falsch – ich bin mit einem wunderbaren Mann verheiratet – ich weiß nur nie, was er fühlt.“ Eine dieser unzufriedenen Frauen brachte ihren Mann mit zu einem Workshop, wo sie zu ihm sagte: „Ich fühle mich, als wäre ich mit einer Wand verheiratet.“ Daraufhin gab der Mann eine ausgezeichnete Imitation einer Wand zum besten: Er saß da, steif und stumm. Verzweifelt drehte sich die Frau zu mir und rief aus: „Sehen Sie! Genau das passiert die ganze Zeit. Er sitzt da und sagt nichts. So lebt es sich mit einer Wand.“
    „Das hört sich für mich so an, als wären Sie einsam und hätten gerne mehr emotionalen Kontakt zu Ihrem Mann“, sagte ich. Als sie zustimmte, versuchte ich ihr aufzuzeigen, daß Äußerungen wie: „Ich fühle mich, als wäre ich mit einer Wand verheiratet“ nicht dazu geeignet sind, ihrem Mann ihre Gefühle und Wünsche nahezubringen. Sie werden sogar höchstwahrscheinlich als Kritik gehört und nicht als Einladung, mit den Gefühlen in Kontakt zu kommen. Des weiteren führen solche Äußerungen zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Ein Ehemann hört z.B. die Kritik, daß er sich wie eine Wand verhält; er ist verletzt und entmutigt und reagiert nicht; und so bestätigt sich das Bild seiner Frau von ihm als Wand.

    Die Vorteile einer Erweiterung unseres Gefühlswortschatzes liegen auf der Hand, nicht nur in intimen Beziehungen, sondern auch in der Arbeitswelt.
    Ich wurde einmal engagiert, um die Mitarbeiter einer technischen Abteilung in einem großen Schweizer Unternehmen zu beraten. Die Firma machte sich Sorgen, weil Mitarbeiter aus anderen Abteilungen die Techniker mieden. Als sie nach dem Grund gefragt wurden, antworteten die Mitarbeiter: „Wir lassen uns überhaupt nicht gerne von diesen Leuten beraten. Es ist, als würde man mit Maschinen sprechen!“ Das Problem ließ nach, als ich bei den Angestellten der technischen Abteilung war und sie ermutigte, in ihrer Zusammenarbeit mit den Kollegen mehr von ihrer Menschlichkeit zum Ausdruck zu bringen.
    In einem anderen Fall arbeitete ich mit einer Krankenhausverwaltung, die sich über ein anstehendes Meeting mit den Ärzten Sorgen machte. Die Verwaltung wollte die ärztliche Unterstützung für ein Projekt, gegen das die Ärzte gerade mit 17:1 gestimmt hatten. Die Verwaltungsleute waren sehr erpicht auf meine Demonstration, wie sie mit Hilfe der GFK die Ärzte ansprechen konnten.
    In einem Rollenspiel machte ich die Stimme eines Verwalters nach und begann mit: „Es macht mir angst, dieses Thema anzuschneiden.“ Ich wählte diesen Anfang, weil ich merkte, wieviel Angst die Verwaltungsleute bei der Vorbereitung darauf hatten, die Ärzte erneut mit der Sache zu konfrontieren. Bevor ich weitermachen konnte, fiel mir einer ins Wort, um zu protestieren: „Sie sind ganz unrealistisch! Wir können den Ärzten unmöglich erzählen, daß wir Angst haben.“
    Als ich fragte, warum es so unmöglich wäre, Angst zuzugeben, erwiderte er ohne Zögern: „Wenn wir unsere Angst zugeben, dann zerreißen sie uns in Stücke!“ Seine Antwort überraschte mich nicht; ich habe oft Leute sagen hören, daß sie sich nicht vorstellen können, an ihrem Arbeitsplatz jemals Gefühle zu zeigen. Ich freute mich, als ich dann doch hörte, daß sich einer der Verwalter tapfer auf das Risiko einlassen wollte, auf dem befürchteten Meeting seine Verletzlichkeit auszudrücken. Statt seiner üblichen Art, strikt logisch, rational und unemotional aufzutreten, beschloß er, seine Gefühle zusammen mit Gründen zu benennen, warum er wollte, daß die Ärzte ihre Meinung änderten. Es fiel ihm auf, wie anders die Ärzte da auf ihn reagierten. Am Ende staunte er und war erleichtert, als die Ärzte, statt ihn „in Stücke zu reißen“, ihre vorherige Position aufgaben und jetzt mit 17:1 für das Projekt stimmten. Dieser dramatische Wechsel half den Verwaltern, die potentielle Wirkung der Äußerung von Verletzlichkeit zu erkennen und wertzuschätzen – selbst am Arbeitsplatz.
    Es kann hilfreich bei der Konfliktlösung sein, wenn wir unsere Gefühle ausdrücken.
    Zum Schluß möchte ich noch eine Begebenheit erzählen, die mir deutlich machte, welchen

Weitere Kostenlose Bücher