Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
Kritik heraushören. Und wenn Menschen etwas hören, das auch nur entfernt nach Kritik klingt, dann neigen sie dazu, ihre Energie in die Verteidigung oder in einen Gegenangriff zu stecken. Wünschen wir uns von anderen Menschen eine einfühlsame Reaktion, dann sabotieren wir diesen Wunsch, wenn wir unsere Bedürfnisse als Interpretationen und Verhaltensdiagnosen der anderen zum Ausdruck bringen. Je besser es uns jedoch gelingt, unsere Gefühle direkt mit unseren eigenen Bedürfnissen zu verknüpfen, desto einfacher ist es für andere, einfühlsam auf unsere Bedürfnisse zu reagieren.
Wenn wir unsere Bedürfnisse aussprechen, dann steigt unsere Chance, daß sie erfüllt werden.
Leider haben die meisten von uns nie gelernt, in Begriffen von Bedürfnissen zu denken. Wenn sich unsere Bedürfnisse nicht erfüllen, dann denken wir automatisch darüber nach, was andere Menschen falsch gemacht haben. Deshalb kritisieren wir vielleicht unsere Kinder als faul, wenn sie die Mäntel auf der Couch liegenlassen, nur weil wir gerne möchten, daß die Mäntel im Schrank hängen. Oder vielleicht interpretieren wir unsere Kollegen als unverantwortlich, weil sie ihre Arbeit nicht so erledigen, wie wir das gerne hätten.
Ich wurde einmal gebeten, in Südkalifornien zwischen Grundbesitzern und eingewanderten Farmarbeitern zu vermitteln, deren Konflikte immer feindseliger und gewalttätiger geworden waren. Zu Beginn des Treffens stellte ich zwei Fragen: „Was ist es, was jeder von euch braucht? Um was – in bezug auf eure Bedürfnisse – möchtet ihr die anderen bitten?“ „Das Problem ist, daß diese Leute Rassisten sind!“ schrie ein Arbeiter. „Das Problem ist, daß diese Leute Gesetz und Ordnung nicht respektieren!“ schrie ein Grundbesitzer noch lauter. Wie es oft der Fall ist, waren diese Leute geübter darin, die vermuteten Fehler anderer zu analysieren, als klar und deutlich ihre eigenen Bedürfnisse auszudrücken.
In einer ähnlichen Situation traf ich einmal mit einer Gruppe Israelis und Palästinensern zusammen, die das notwendige gegenseitige Vertrauen für einen Frieden in ihren Gebieten aufbauen wollten. Ich eröffnete die Runde mit denselben Fragen: „Was ist es, was jeder von euch braucht? Um was – in bezug auf eure Bedürfnisse – möchtet ihr die anderen bitten?“ Statt offen seine Bedürfnisse auszusprechen, antwortete ein palästinensischer Mukhtar (der Dorfvorsteher): „Ihr führt euch auf wie ein Haufen Nazis.“ Eine Aussage, die nicht gerade die Kooperationsbereitschaft von Israelis fördert!
Fast im gleichen Moment sprang eine Israelin auf und konterte: „Mukhtar, das war jetzt gerade völlig unsensibel von dir, so etwas zu sagen!“ Hier waren Leute zusammengekommen, um Vertrauen und Harmonie aufzubauen, aber nach nur zwei Sätzen standen die Dinge um einiges schlechter als vor unserem Treffen. Das passiert oft, wenn Leute es mehr gewöhnt sind, andere zu analysieren und zu beschuldigen, als klar auszusprechen, was sie selbst brauchen. In diesem Fall hätte die Frau auf den Mukhtar mit ihren eigenen Bedürfnissen und Bitten reagieren können, z. B. mit den Worten: „Ich brauche in unserem Dialog mehr Respekt. Anstatt uns zu sagen, wie wir uns deiner Meinung nach verhalten, würdest du uns bitte sagen, was wir genau tun, das du als störend empfindest?“
Immer wieder habe ich die Erfahrung gemacht, daß in dem Moment, wo Leute anfangen, über das zu sprechen, was sie brauchen, statt darüber, was mit dem anderen nicht stimmt, die Wahrscheinlichkeit, einen Weg zur Erfüllung aller Bedürfnisse zu finden, dramatisch ansteigt. Es folgen einige der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse, die wir alle haben:
Autonomie
Träume / Ziele / Werte wählen
Pläne für die Erfüllung der eigenen Träume / Ziele / Werte entwickeln
Feiern
die Entstehung des Lebens und die Erfüllung von Träumen feiern
Verluste feierlich begehen: von geliebten Menschen, Träumen usw. (trauern)
Integrität
Authentizität
Kreativität
Sinn
Selbstwert
Interdependenz
Akzeptieren
Wertschätzung
Nähe
Gemeinschaft
Rücksichtnahme
zur Bereicherung des Lebens beitragen
emotionale Sicherheit
Empathie
Ehrlichkeit (gemeint ist die Ehrlichkeit, die uns die Kraft gibt, aus unseren Schwächen zu lernen)
Liebe
Geborgenheit
Respekt
Unterstützung
Vertrauen
Verständnis
Zugehörigkeit
Nähren der physischen Existenz
Luft
Nahrung
Bewegung, Körpertraining
Schutz vor lebensbedrohenden
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