Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
haben, hat mich sehr irritiert!“
B: „Als Sie den Vertrag aufgelöst haben, war ich wirklich irritiert, weil ich fand, daß das sehr unverantwortlich war.“
Sprecherin A bezieht ihre Irritation ausschließlich auf das Verhalten der Gegenseite, während Sprecherin B durch das Zulassen ihrer dahinterliegenden Gedanken die Verantwortung für ihre Gefühle übernimmt. Sie erkennt, daß ihre schuldzuweisenden Gedanken ihre Irritation ausgelöst haben. In der GFK jedoch ermutigen wir die Sprecherin, noch einen Schritt weiterzugehen und das, was sie möchte, genau zu bestimmen: Welches ihrer Bedürfnisse, welcher Wunsch, welche Erwartung, Hoffnung oder welcher ihrer Werte hat sich nicht erfüllt? Wir werden noch sehen: Je direkter wir unsere Gefühle mit unseren Bedürfnissen in Verbindung bringen können, desto leichter ist es für andere, einfühlsam zu reagieren. Um ihre Gefühle mit dem, was sie möchte, zu verknüpfen, hätte Sprecherin B z. B. sagen können: „Als Sie den Vertrag aufgelöst haben, war ich sehr irritiert, weil ich auf eine Chance gehofft hatte, die Arbeiter, die wir letztes Jahr entlassen hatten, wieder einzustellen.“
Der grundlegende Mechanismus, jemanden durch Schuldgefühle zu motivieren, funktioniert so, daß die Verantwortung für die eigenen Gefühle der anderen Person zugeschrieben wird. Wenn Eltern sagen: „Mama und Papa sind ganz traurig, wenn du schlechte Noten in der Schule bekommst“, dann drücken sie damit indirekt aus, daß die Handlungen des Kindes die Ursache für das Glück oder Unglück der Eltern sind. Oberflächlich betrachtet kann es wie wohlmeinende Fürsorge aussehen, wenn jemand die Verantwortung für die Gefühle anderer übernimmt. Es hat den Anschein, als lägen dem Kind die Eltern am Herzen, und aus dem Grund fühlt es sich schlecht, wenn sie leiden. Ändern jedoch Kinder, die diese Art der Verantwortung übernehmen, ihr Verhalten entsprechend den Wünschen der Eltern, dann tun sie das nicht von Herzen, sondern um Schuld(-gefühle) zu vermeiden.
Unterscheide zwischen einer Motivation, von Herzen zu geben, und einer Motivation durch Schuldgefühle.
Es ist hilfreich, eine Reihe von Sprachmustern zu erkennen, die dazu tendieren, die Verantwortung für unsere Gefühle zu verdecken:
Unpersönliche Pronomen wie „es“ und „das“: „Es macht mich echt sauer, wenn in unseren Präsentationsmappen Rechtschreibfehler auftauchen.“ „Das geht mir total auf die Nerven.“
Aussagen, in denen nur die Handlungen anderer vorkommen: „Wenn du mich an meinem Geburtstag nicht anrufst, bin ich verletzt.“ „Mami ist enttäuscht, wenn du nicht aufißt.“
Der Ausdruck „Ich fühle mich (ein Gefühl), weil ...“ gefolgt von einer Person oder einem anderen persönlichen Pronomen als „ich“:
„Ich fühle mich verletzt, weil du gesagt hast, daß du mich nicht liebst.“
„Ich bin wütend, weil die Gruppenleiterin ihr Versprechen nicht gehalten hat.“
Verknüpfe dein Gefühl mit deinem Bedürfnis: „Ich fühle ..., weil ich ...“
In jedem dieser Beispiele können wir unsere Wahrnehmung für unsere Eigenverantwortung schärfen, indem wir den Satz: „Ich fühle ..., weil ich/mir ...“ einsetzen. Wie in den folgenden Beispielen:
„Es macht mich echt sauer, wenn in unseren Präsentationsmappen Rechtschreibfehler auftauchen, weil mir wichtig ist, daß unsere Firma nach außen hin professionell auftritt.“
„Mami ist enttäuscht, wenn du nicht aufißt, weil mir etwas daran liegt, daß du stark und gesund aufwächst.“
„Ich bin wütend darüber, daß die Gruppenleiterin ihr Versprechen nicht gehalten hat, weil ich mich auf das lange Wochenende eingestellt hatte und meinen Bruder besuchen wollte.“
Die Bedürfnisse an den Wurzeln unserer Gefühle
Urteile, Kritik, Diagnosen und Interpretationen des Verhaltens anderer Menschen sind alles entfremdete Äußerungen unserer eigenen Bedürfnisse. Sagt jemand: „Du verstehst mich nie“, dann teilt er uns in Wirklichkeit mit, daß sich sein Bedürfnis nach Verständnis nicht erfüllt. Sagt eine Ehefrau: „Du hast diese Woche jeden Abend lange gearbeitet; du liebst deine Arbeit mehr als mich“, dann meint sie damit, daß sich ihr Bedürfnis nach Nähe nicht erfüllt.
Urteile über andere sind entfremdete Äußerungen unserer eigenen, unerfüllten Bedürfnisse.
Wenn wir unsere Bedürfnisse indirekt durch Bewertungen, Interpretationen und Vorstellungen ausdrücken, werden andere höchstwahrscheinlich
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