Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
über ihren Ruf, die Konsequenzen, das Geld ... all das, was Ihnen wichtig ist?
Kollegin: (Fühlt sich in ihrem Erstaunen gehört und geht über zu ihrem anderen Gefühl, dem Mißmut. Wie es oft vorkommt, wenn eine Mischung von Gefühlen da ist, dann kehrt man zu den Gefühlen zurück, die noch keine Empathie bekommen haben. Es ist nicht nötig, daß die Zuhörerin auf einmal eine komplexe Gefühlsmischung widerspiegelt; im Fluß der Einfühlsamkeit kommt jedes der Gefühle zu seiner Zeit wieder zur Sprache.) Ja, und wer, glauben Sie, bezahlt am Ende dafür?
Frau: Das klingt so, als ob Sie das aufregt, weil Sie gerne möchten, daß Ihre Steuergelder für andere Zwecke verwendet werden. Stimmt das?
Kollegin: Genauso ist es! Wissen Sie, mein Sohn und seine Frau wollen ein zweites Kind, und es geht nicht, weil es soviel kostet - obwohl beide arbeiten.
Frau: Ich nehme an, daß Sie darüber traurig sind? Sie hätten vielleicht gerne noch ein Enkelkind?
Kollegin: Ja, und es wäre ja nicht nur meinetwegen.
Frau: Sie möchten auch, daß Ihr Sohn die Familie haben kann, die er möchte ... (Auch wenn die Frau mit ihrer Vermutung nur teilweise richtig gelegen hat, hat sie den empathischen Fluß nicht unterbrochen. Dadurch war es der Kollegin möglich, weiterzumachen und ein weiteres Anliegen zu entdecken)
Kollegin: Ja, und außerdem glaube ich auch, daß es traurig ist, ein Einzelkind zu sein.
Frau: Ach so, Sie wünschen sich für Kathi einen kleinen Bruder?
Kollegin: Das wäre schön.
An diesem Punkt bemerkte die Frau, wie ihre Kollegin gelöster wurde. Es gab einen Moment Stille. Die Frau wollte auch noch ihre eigenen Ansichten zum Ausdruck bringen und entdeckte jetzt zu ihrer Überraschung, daß sich die Dringlichkeit und ihre Anspannung, was das anging, aufgelöst hatten, weil sie sich nicht mehr „in Konfrontation“ empfand. Sie verstand die Gefühle und Bedürfnisse hinter den Aussagen ihrer Kollegin und hatte nicht mehr den Eindruck, daß „Welten sie trennten“.
Frau: „Wissen Sie, als Sie vorhin gesagt haben, Unehelichkeit sollte wieder etwas Beschämendes werden ( Beobachtung ), habe ich einen Schrecken bekommen ( Gefühl ), weil es mir wirklich wichtig ist, daß wir hier alle eine engagierte Mitmenschlichkeit Leuten gegenüber zum Ausdruck bringen, die Hilfe brauchen (Bedürfnis). Manche von denen, die hier zum Essen kommen, sind jugendliche Eltern (Beobachtung), und ich möchte sichergehen, daß sie sich hier wohlfühlen (Bedürfnis). Wären Sie bereit, mir zu sagen, was Sie empfinden, wenn Sie Doro oder Amy und ihren Freund hereinkommen sehen? (Bitte)
Die Frau hat sich in der Gewaltfreien Kommunikation ausgedrückt und alle vier Teile des Modells angewendet: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte. Der Dialog wurde fortgesetzt, bis die Frau die Sicherheit hatte, die sie brauchte, daß ihre Kollegin auch tatsächlich den unverheirateten Teenagern einfühlsame und respektvolle Hilfe anbot. Noch wichtiger für die Frau war eine neue Erfahrung: Es war ihr gelungen, eine Meinungsverschiedenheit auf eine Weise auszudrücken, die ihre Bedürfnisse nach Ehrlichkeit und gegenseitigem Respekt zufriedenstellte.
Währenddessen war ihre Kollegin sehr zufrieden, daß ihre Sorgen rund um jugendliche Schwangerschaften komplett gehört worden waren. Beide fühlten sich verstanden, und ihrem Kontakt tat es gut, daß sie ihr Verständnis und ihre Verschiedenheit ohne Feindseligkeit geteilt hatten. Ohne die GFK hätte ihre Beziehung von dem Moment an vielleicht angefangen, sich zu verschlechtern, und die Arbeit, die sie beide gemeinsam tun wollten - Menschen helfen und sich um sie kümmern –, hätte vermutlich darunter gelitten.
Übung 3: Bedürfnisse erkennen und akzeptieren
Um das Erkennen von Bedürfnissen zu üben, markieren Sie bitte die Numerierung vor jeder Aussage, in der der Sprecher/die Sprecherin die Verantwortung für seine/ihre Gefühle übernimmt.
Sie verärgern mich, wenn Sie Firmendokumente auf dem Boden im Konferenzraum liegenlassen.
Ich bin ärgerlich, wenn Sie das sagen, weil ich Respekt möchte, und ich verstehe Ihre Worte als Beleidigung.
Ich bin frustriert, wenn du zu spät kommst.
Ich bin traurig darüber, daß du nicht zum Essen kommst, weil ich gehofft hatte, wir könnten den Abend zusammen verbringen.
Ich bin enttäuscht, weil du gesagt hast, du würdest das machen, und du hast es nicht gemacht.
Ich fühle mich entmutigt, weil ich mit meiner Arbeit gerne
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