Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
„Wie macht man etwas nicht?“ heißt es in einer Zeile eines Kinderliedes von meiner Kollegin Ruth Bebermeyer. „Ich weiß nur, daß ich ein Nein fühle, wenn ich ein Nicht machen soll.“ Dieses Lied zeigt zwei Probleme auf, die uns normalerweise begegnen, wenn Bitten in verneinter Form ausgedrückt werden: Oft sind Leute irritiert, weil sie nicht wissen, um was sie jetzt eigentlich gebeten werden, und außerdem rufen negativ formulierte Bitten gerne Widerstand hervor.
In einem Workshop beschrieb eine Frau, die frustriert darüber war, daß ihr Mann soviel Zeit bei der Arbeit verbrachte, wie ihre Bitte zum Eigentor wurde: „Ich bat ihn, nicht soviel Zeit bei der Arbeit zu verbringen. Drei Wochen später reagierte er mit der Ankündigung, daß er sich für ein Golfturnier angemeldet hatte!“ Sie hatte ihm erfolgreich vermittelt, was sie nicht wollte – sein vieles Arbeiten –, aber sie scheiterte an einer positiven Bitte: was sie eigentlich wollte. Ermutigt, ihre Bitte neu zu formulieren, dachte sie einen Moment nach und sagte dann: „Ich wünschte, ich hätte ihm gesagt, daß ich wenigstens einen Abend in der Woche gerne mit ihm und den Kindern verbringen möchte.“
Während des Vietnam-Krieges wurde ich einmal gebeten, über dieses Thema mit einem Mann, der eine andere Position zum Krieg hatte als ich, im Fernsehen zu diskutieren. Die Sendung wurde auf Video aufgenommen, so daß ich sie abends zu Hause noch mal anschauen konnte. Als ich mich auf dem Bildschirm sah, wie ich so ganz anders kommunizierte, als ich es eigentlich wollte, regte ich mich sehr auf. „Wenn ich noch mal bei so einer Diskussion mitmache“, sagte ich zu mir selbst, „darf ich es auf keinen Fall wieder so machen wie dieses Mal! Ich werde mich nicht verteidigen. Ich lasse nicht noch einmal zu, daß sie mich lächerlich machen.“ Fällt Ihnen auf, wie ich mit mir selbst in Begriffen von was ich nicht mehr machen wollte sprach, statt in Begriffen von was ich machen wollte?
Die Chance zur Wiedergutmachung kam schon in der darauffolgenden Woche, als ich eingeladen wurde, die Debatte in derselben Sendung fortzusetzen. Den ganzen Weg zum Studio sagte ich mir immer wieder, was ich alles nicht machen wollte. Kaum fing die Sendung an, ging der Mann auf genau die gleiche Weise zum Angriff über wie die Woche zuvor. Nachdem er fertig war, gelang es mir für etwa zehn Sekunden, nicht so zu kommunizieren, wie ich es mir dauernd vorgesagt hatte. Tatsächlich sagte ich gar nichts. Ich saß einfach da. Sobald ich jedoch den Mund aufmachte, kamen all die Wörter heraus, die ich doch unbedingt hatte vermeiden wollen! Es war eine schmerzliche Lektion darüber, was passieren kann, wenn ich mich nur darauf konzentriere, was ich nicht machen möchte, ohne zu klären, was ich tatsächlich machen möchte.
Ich wurde einmal eingeladen, mit Schülern zu arbeiten, die eine ganze Latte von Beschwerden gegen ihren Schulleiter hatten. Sie betrachteten ihren Direktor als Rassisten und erkundeten Möglichkeiten, sich an ihm zu rächen. Ein Geistlicher, der in engem Kontakt mit den jungen Leuten stand, machte sich über die Gefahr drohender Gewalttätigkeit ernsthaft Sorgen. Aus Achtung vor dem Pfarrer willigten die Schüler ein, sich mit mir zu treffen.
Sie begannen, mir zu beschreiben, was sie am Verhalten des Schulleiters diskriminierend fanden. Nachdem ich einer Reihe von Anklagen zugehört hatte, schlug ich vor, daß sie mit der Klärung dessen weitermachten, was sie vom Direktor wollten.
„Wozu soll das gut sein?“ stieß ein Schüler verächtlich aus. „Wir waren schon bei ihm und haben ihm gesagt, was wir wollen. Er hat uns darauf geantwortet: ,Raus hier! Ich brauche niemanden, der mir sagt, was ich tun soll!‘“
Ich fragte die Schüler, um was sie gebeten hatten. Sie erinnerten sich daran, daß sie ihm gesagt hatten, sie wollten sich von ihm nicht ihre Frisur vorschreiben lassen. Ich gab zu bedenken, daß sie mit einer Aussage über das, was sie wollten statt was sie nicht wollten, wahrscheinlich eine entgegenkommendere Antwort erhalten hätten. Dann hatten sie dem Direktor erklärt, daß sie fair behandelt werden wollten, worauf er sich rechtfertigte und lautstark leugnete, jemals unfair gewesen zu sein. Ich wagte die Vermutung, daß der Schulleiter freundlicher reagiert hätte, wenn die Schüler um genauere Handlungen gebeten hätten statt um ein vages Verhalten wie „faire Behandlung“.
In unserer gemeinsamen Arbeit entwickelten wir
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