Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)

Titel: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marshall B. Rosenberg
Vom Netzwerk:
wichtiges Feld, auf dem diese Gewalt durch Einfühlsamkeit ersetzt werden kann, ist die permanente Bewertung unserer selbst. Da uns viel daran liegt, daß unsere Handlungen zur Bereicherung des Lebens beitragen, gewinnt eine Fähigkeit ganz besondere Bedeutung: Es ist die Fähigkeit, Vorfälle und Umstände so zu bewerten, daß wir darin unterstützt werden, aus den Erfahrungen zu lernen und dann auch immer öfter Entscheidungen treffen, die uns weiterbringen. Unglücklicherweise fördert unsere antrainierte Art der Bewertung eher den Selbsthaß als die Weiterentwicklung.
    Mit der GFK bewerten wir uns so, daß Wachstum statt Selbsthaß gefördert wird.

Wie bewerten wir uns selbst, wenn wir nicht ganz perfekt sind?
    In meinen Workshops mache ich regelmäßig eine Übung, in der ich die TeilnehmerInnen bitte, sich an eine noch nicht lange zurückliegende Begebenheit zu erinnern, wo sie etwas getan haben, das sie hinterher lieber nicht getan hätten. Dann schauen wir uns genauer an, was sie direkt nach dem, was gemeinhin als „Fehler“ oder „Irrtum“ bezeichnet wird, zu sich selbst sagen. Typische Aussagen sind dann: „Das war blöd von mir!“, „Wie konnte ich nur so was Dummes tun?“, „Was hast du für ein Problem?“, „Du bringst immer alles durcheinander!“ „Das ist egoistisch!“.
    Wer so etwas sagt, dem wurde beigebracht, sich selbst auf eine Weise zu verurteilen, die impliziert, daß die eigene Handlung falsch oder schlecht war. Diese Selbstkritik geht davon aus, daß es einem schlecht gehen soll für das, was man getan hat: das hat man schließlich verdient. Es ist tragisch, daß sich so viele von uns in Selbsthaß verstricken, statt aus Fehlern Nutzen zu ziehen, denn Fehler zeigen uns unsere Grenzen und damit unsere Wachstumschancen auf.
    Selbst wenn wir hin und wieder unsere „Lektion“ aus Fehlern lernen, für die wir uns streng kritisieren, dann mache ich mir Sorgen über die Motivation, die hinter dieser Art des Lernens und der Veränderung steckt. Mir ist es wichtig, daß Veränderung durch den klaren Wunsch motiviert ist, dadurch das Leben für uns und andere zu bereichern und daß wir uns nicht aufgrund destruktiver Energien wie Scham oder Schuld verändern.
    Wenn die Art unserer Selbstbewertung dazu führt, daß wir uns schämen und wir daraufhin unser Verhalten ändern, dann lassen wir zu, daß unsere Entwicklung und unser Lernen von Selbsthaß geleitet werden. Scham ist eine Form von Selbsthaß, und Handlungen als Reaktion auf Scham sind weder frei gewählt noch machen sie Freude. Auch wenn wir uns eigentlich freundlicher und sensibler verhalten wollen – sobald Menschen Scham oder Schuld hinter unserem Verhalten wahrnehmen, sinkt die Chance, daß sie es wertschätzen. Die Chancen für eine wertschätzende Reaktion steigen hingegen, wenn wir mit dem, was wir tun, sozusagen reinen Herzens zum Leben beitragen möchten.
    In unserer Sprache gibt es ein Wort, das mit enormer Kraft zur Entstehung von Scham und Schuld beiträgt. Dieses gewalttätige Wort, das zu unserem normalen Sprachgebrauch gehört, wenn wir uns selbst bewerten, ist so tief in unser Bewußtsein eingegraben, daß es für viele von uns schwer vorstellbar ist, ohne es auszukommen. Es ist das Wort „sollte“ bzw. „hätte sollen“, wie z.B. in dem Satz: „Ich sollte es besser wissen“ oder „Ich hätte das nicht tun sollen“. Wenn wir dieses Wort zu uns sagen, dann blockieren wir unsere Weiterentwicklung, denn „hätte sollen“ heißt: Es gibt keine Wahl. Wenn ein Mensch irgendeine Art von Forderung hört, neigt er oder sie dazu, Widerstand zu leisten, denn eine Forderung bedroht unsere Autonomie, unser starkes Bedürfnis, frei zu wählen. So reagieren wir auf Gewaltherrschaft, selbst wenn es unsere eigene innere Gewaltherrschaft in Form eines „du solltest“ ist.
    Vermeiden Sie, sich selbst zu „sollten“!
    Ein ähnlicher Ausdruck innerer Forderungen tritt in der folgenden Selbstbewertung auf: „Was ich mache, ist einfach schrecklich. Ich muß wirklich was ändern!“ Denken Sie einen Augenblick an all die Leute, die Sie haben sagen hören: „Ich müßte wirklich aufhören zu rauchen“ oder: „Ich muß wirklich schauen, daß ich mehr Sport mache.“ Sie reden ständig davon, daß sie etwas tun „müssen“ oder „müßten“ und blockieren sich ständig, es auch zu tun, denn: Menschen sind einfach nicht für die Sklaverei geschaffen. Es liegt uns nicht, vor dem Diktat von „sollen“ und „müssen“

Weitere Kostenlose Bücher