Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (German Edition)
in die Knie zu gehen – ob es jetzt von außen oder von innen heraus kommt. Und wenn wir es doch tun und den Forderungen nachgeben, dann handeln wir aus einer Energie heraus, die ohne lebensspendende Freude ist.
Selbstkritik und innere Forderungen übersetzen
Wenn wir normalerweise durch innere Kritik, Schuldzuweisungen und Forderungen mit uns selbst kommunizieren, dann ist es nicht verwunderlich, wenn wir uns „eher wie ein Stuhl als wie ein menschliches Wesen“ vorkommen. Eine Grundannahme in der GFK sagt folgendes: Immer wenn wir davon ausgehen, daß jemand falsch oder schlecht ist, meinen wir eigentlich, daß sie oder er sich nicht in Übereinstimmung mit unseren Bedürfnissen verhält. Wenn die Person, die wir so verurteilen, zufälligerweise wir selbst sind, dann meinen wir eigentlich: „Ich, ganz persönlich, verhalte mich nicht in Übereinstimmung mit meinen eigenen Bedürfnissen.“ Ich bin überzeugt davon, daß die Chancen steigen, mit unseren Beurteilungen unsere Weiterentwicklung zu fördern, wenn wir bereit sind, unser eigenes Verhalten danach zu bewerten, ob und wie gut es unsere Bedürfnisse erfüllt.
Selbstverurteilung ist, wie jede Verurteilung, tragischer Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse.
Unsere herausfordernde Aufgabe sieht also so aus: Wenn wir etwas tun, das das Leben nicht bereichert, dann werten wir unsere Handlungen von Moment zu Moment so aus, daß Veränderung in zweifacher Hinsicht geschehen kann:
1. Veränderung in die Richtung, in die wir gerne gehen möchten und
2. Veränderung motiviert durch Respekt und Empathie für uns selbst statt aus Selbsthaß, Schuld oder Scham.
Trauern in der GFK
Nach lebenslangen Belehrungen in der Schule und auch danach und nach ebensolanger Anpassung durch Sozialisation ist es vielleicht für die meisten von uns zu spät, ihr Gehirn und ihr Wesen so umzuwandeln, daß sie nur noch in Richtung Bedürfnisse denken und von Moment zu Moment entsprechende Auswertungen anstellen. Jedoch, wie wir auch gelernt haben, im Gespräch mit anderen Urteile zu übersetzen, können wir uns darin üben, verurteilende Selbstgespräche wahrzunehmen und unsere Aufmerksamkeit sofort auf die dahinter liegenden Bedürfnisse zu richten.
Wenn wir uns z.B. dabei ertappen, vorwurfsvoll auf etwas zu reagieren, das wir getan haben: „Siehst du, das hast du wieder gründlich verpfuscht!“, dann können wir schnell sagen: „Halt! Welches unerfüllte Bedürfnis drücke ich durch diese moralische Abwertung aus?“ Wenn es uns dann gelingt, mit dem Bedürfnis in Kontakt zu kommen – und da kann es mehrere Bedürfnisschichten geben – dann wird uns eine deutliche Veränderung im Körper auffallen. Statt Scham, Schuld oder Depression, mit denen wir wahrscheinlich zu tun haben, wenn wir uns dafür kritisieren, „etwas gründlich verpfuscht“ zu haben, empfinden wir jetzt eine ganze Reihe von Gefühlen. Ob es Traurigkeit, Frustration, Enttäuschung, Angst, Kummer oder andere Gefühle sind, die Natur hat uns nicht ohne Grund mit diesen Gefühlen ausgestattet: Sie mobilisieren uns zu handeln, uns das zu erfüllen, was wir brauchen und was uns wichtig ist. In ihrer Wirkung auf unseren Geist und unseren Körper unterscheiden sie sich grundlegend von der inneren Spaltung, die durch Schuld, Scham und Depression entsteht.
Trauern in der GFK ist ein Prozeß, der uns vollständig mit den unerfüllten Bedürfnissen und Gefühlen verbindet, die sich melden, wenn wir nicht ganz perfekt waren. Es ist ein Erlebnis des Bedauerns, jedoch ein Bedauern, das uns darin unterstützt, aus dem, was wir getan haben, zu lernen, ohne uns Vorwürfe zu machen oder uns zu hassen. Statt dessen erkennen wir, wie sich unser Verhalten gegen unsere Bedürfnisse und Werte gerichtet hat, und wir öffnen uns für die Gefühle, die aus dieser Bewußtwerdung heraus zu uns kommen. Wenn wir unser Bewußtsein auf das richten, was wir brauchen, dann werden wir auf ganz natürliche Weise angeregt, all die kreativen Möglichkeiten ausfindig zu machen, die unser Bedürfnis erfüllen können. Demgegenüber verschleiern die moralischen Abwertungen, mit denen wir uns Vorwürfe machen, tendenziell dieses Potential und erhalten einen Zustand von Selbsthaß aufrecht.
Trauern in der GFK:
Verbindung aufnehmen mit den Gefühlen und Bedürfnissen, die durch vergangene Handlungen, die wir jetzt bedauern, hervorgerufen werden.
Uns selbst verzeihen
Nach dem Trauern kommt jetzt die Selbst-Vergebung. Wir richten unsere
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