Gewitter der Liebe
Reise begegnen würde.
Erleichtert rutschte Julia zur Seite und übergab Nathan die Zügel. Es wurde allmählich Abend und Zeit, um einen Rastplatz aufzusuchen.
»Werden sie uns folgen?«, fragte Julia bange. »Ich traue diesen Burschen nicht.«
»Nein«, versicherte ihr Nathan, obwohl er selbst nicht ganz überzeugt war. »Sie sahen recht friedlich aus. Vermutlich haben sie gemerkt, dass wir eine Horde von armen Schluckern sind, bei denen nichts zu holen ist. Sie würden höchstens ein paar Säcke mit Lebensmitteln ergattern; dafür würden sie nicht das Leben ihrer Krieger riskieren.«
»Ganz bestimmt?«
Nathan setzte ein Lächeln auf. »Nun ja, zumindest nehme ich es an.«
Diese Äußerung brachte Julia zum Lachen. Sie mochte den meist ernsten stillen Nathan; einen besseren Freund konnte sie sich nicht vorstellen. Ross und er hätten nicht unterschiedlicher sein können, doch Julias Herz hatte sich für den gutaussehenden Abenteurer entschieden, der davon träumte, eines Tages durch das Gold, das er in Kalifornien zu finden hoffte, ein reicher Mann zu werden.
Cramer ordnete an, auf dem nächsten Rastplatz eine Wagenburg zu errichten. Zwar war nicht anzunehmen, dass die Sioux einen Überfall planten, doch man konnte nie wissen.
An einer versteckten Stelle am Fluss badeten Julia und Lilly im kalten Flusswasser, obwohl Cramer ihnen verboten hatte, sich ohne männlichen Schutz außerhalb der Wagenburg zu begeben.
»Ich wäre fast vor Angst gestorben«, verriet Lilly, nachdem sie sich wieder angezogen und die Haare getrocknet hatten. »Mir ist ein kalter Schauer über den Rücken gekrochen, als ich diese fremdartigen Gesichter sah. Sie hatten nicht nur Pfeile und Bögen bei sich, sondern auch Gewehre.«
Julia gestand, dass sie sich diese unheimlichen Männer nicht näher angeschaut hatte, und tauchte eines von Nathans Hemden ins Wasser, denn an diesem Abend war Wäschewaschen angesagt.
Mit einem Stück Kernseife schrubbte Julia gründlich das dunkelgrüne Männerhemd, das sie auf einen Stein gelegt hatte. Sie wollte, dass Nathan mit ihrer Arbeit zufrieden war.
Auch Lilly griff sich ein Wäschestück, um es zu säubern.
Über Nacht würde die Wäsche zum Trocknen weit ausgebreitet auf das hohe Gras gelegt werden; der ständig wehende leichte Wind würde dafür sorgen, dass am nächsten Morgen bei der Abfahrt alles trocken war.
»Glaubst du, dass wir heute die einzige Begegnung mit den Wilden hatten?« Lilly wrang das Wäschestück aus und warf es auf den Haufen der bereits gewaschenen Wäsche. »Das nächste Mal könnte es nicht so glimpflich ausgehen.«
»Darüber mag ich gar nicht nachdenken. Konzentrieren wir unsere Gedanken lieber auf Kalifornien.«
Verhalten kicherte Lilly. »Ross scheint ernsthaft ein Auge auf dich geworfen haben. Eigentlich schade, der könnte mir auch gefallen.«
»Wir sind nur Freunde«, verteidigte sich Julia schnell, während sie sich eine Locke unter die Schute stopfte. »Er mag mich, und ich mag ihn.«
»Freunde? Ein Blinder könnte erkennen, dass ihr mehr als nur Freunde seid. Diese tiefen Blicke, die ihr zuweilen tauscht, sind längst auch den anderen Männern aufgefallen; deshalb wagt es auch keiner von ihnen, dich näher kennenlernen zu wollen.«
Abrupt richtete sich Julia auf. Sie hatte nicht gewusst, dass ihre gegenseitige Zuneigung so offensichtlich war.
»Hat Ross noch nicht versucht, dich zu küssen?«, wollte Lilly scheinbar unbeteiligt wissen, aber sie rieb eine ihre Blusen dermaßen fest auf dem Stein, dass der billige Stoff auf eine harte Probe gestellt wurde.
»Natürlich nicht!«
»Aber er wird es versuchen, warte nur ab«, frohlockte Lilly. »Und dann lass ihn gewähren, sonst denkt er womöglich noch, du hast kein Interesse an ihm.«
Nachdenklich arbeitete Julia weiter. In ihren geheimen Träumen stellte sie sich bereits oft vor, von Ross geküsst zu werden. O nein, sie würde sich nicht dagegen wehren – dazu musste das Gefühl, seine Lippen auf dem Mund zu spüren, viel zu köstlich sein.
Nach dem Abendessen, das diesmal von Nathan zubereitet worden war, schlenderte Julia zu Ross’ Wagen hinüber. Bisher hatte er sie immer besucht; nun wollte sie ihm zeigen, dass auch ihr sehr viel an ihm lag.
Nathan blieb am Lagerfeuer sitzen und starrte ihr traurig nach. Er wusste, dass er längst verloren hatte, dass er gegen den blendend aussehenden Ross keinerlei Chancen hatte. Auch Lilly ging wieder auf Wanderschaft. Sie genoss die bewundernden Blicke der
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