Gewitter der Liebe
bei jeder Rast um Julia herumscharwenzelte – und das Ärgerliche daran war, dass es ihr sogar gefiel! Nathan mochte Ross nicht, er fand ihn zu lässig und draufgängerisch. Für Nathans Idee, in San Francisco ein Geschäft zu eröffnen, hatte Ross nur ein gelangweiltes Lächeln übrig. Aber nicht alle Männer konnten Abenteurer sein, nicht wahr? Aber wie es aussah, gefiel den Frauen gerade dies an den Männern, und zu Nathans Leidwesen auch Julia.
Bisher hatten sich Ross und Julia nur unterhalten, soweit Nathan beurteilen konnte. Manchmal gesellte sich Lilly zu den beiden, merkte aber schnell, dass sie störte, und zog sich zurück, um mit einigen anderen Männern zu schäkern. Es war ihr nicht anzusehen, ob es sie störte, dass sich Ross mehr für ihre Freundin interessierte als für sie.
Einmal, als Lilly von einem junge Mann aus Illinois eingeladen wurde, eine Zeitlang auf dessen Wagen mitzufahren, saß Julia neben Nathan auf dem Kutschbock. Vor ihnen lag die weite Prärie; nichts als mit Büffelgras bewachsene sanfte Hügel, die bis zum Horizont reichten.
Auch das Klima hatte sich verändert; ein warmer Wind wehte unablässig und wirbelte Staub auf dem eingetretenen breiten Weg auf. Noch befand sich der North Platte River in der Nähe, sodass ständig für Frischwasser gesorgt war.
Bei den ersten Männern zeigte sich Unmut. Sie hatten es sich einfacher vorgestellt, nach Kalifornien zu gelangen; und einige spielten sogar mit dem Gedanken, umzukehren. Und dabei war dies nichts anderes als ein Spaziergang, wenn man bedachte, welche Hürden noch vor ihnen lagen.
Hin und wieder schnalzte Nathan mit der Zunge, um das Gespann anzutreiben: Träge wälzte sich der Treck durch die Prärie, und auch Julia betrachtete nicht mehr unablässig begeistert die Umgebung, denn es gab nichts zu sehen außer hellgrünem, kniehohen Büffelgras und den Planwagen vor ihr.
Sie hatte Nathans Rat befolgt und sich eine Schute besorgt, die sie nun ständig trug. Zwar war der Sommer noch nicht angebrochen, doch sie konnte sich bereits ausmalen, wie erbarmungslos die Sonne dann vom Himmel brennen würde – und nirgends gab es ein schattiges Plätzchen.
Eine Weile beobachtete Nathan Julia still von der Seite, dann nahm er all seinen Mut zusammen und stellte ihr die Frage, die ihm schon die ganze Zeit auf den Nägeln brannte: »Dieser Ross … hat er ernste Absichten mit dir?«
Bevor sie antwortete, errötete Julia. Das bestätigte Nathans heimliche Befürchtung, auch wenn sie behauptete, dass sie sich von Ross nur gut unterhalten fühlte.
»Er bringt mich immer zum Lachen, weißt du.« Sie hatte betont beiläufig gesprochen, doch Nathan entging nicht das erregte Zittern in ihrer Stimme. Also doch! Sie hatte sich in diesen Mann verliebt, und dass Ross sich für Julia brennend interessierte, war nicht zu übersehen.
»Meinst du, dass er der richtige Umgang für dich ist?« Angestrengt blickte Nathan geradeaus, obwohl es dort nichts Aufregendes zu sehen gab. »Ich meine, er kommt aus einer ganz anderen Welt und …«
»Glaubst du, er spielt mit mir?«, unterbrach sie ihn ängstlich.
»Nein, natürlich nicht. Ich frage mich nur, ob er sich noch immer für dich interessiert, wenn wir in San Francisco sind.«
Sie warf ihm einen unsicheren Blick zu. »Weil ich hier außer die Lilly die einzige Frau bin?«
»Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten, mache mir nur Sorgen um dich«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Es würde mich sehr traurig machen, wenn du eine Enttäuschung erleben würdest.«
Wie rührend von Nathan; er war um ihr Wohl besorgt! Julia legte ihre Hand auf seinen Arm und erwiderte: »Du bist wie ein Bruder zu mir. Mach dir keine Gedanken. Ich würde merken, wenn Ross nur Interesse an mir vorgaukeln würde.« Sie reckte den Hals. »Sieh mal, Mr Cramer kommt herübergeritten.«
In der Tat preschte der Treckführer heran, sprach mit einigen Männern und gesellte sich dann zu Nathans Wagen. »Können Sie Ihr Gespann eine Weile dem Mädchen überlassen?«
»Kein Problem. Julia kann inzwischen ganz gut mit den Zügeln umgehen.«
Nathan hatte es ihr und Lilly beigebracht, und auch die ersten Reitversuche hatten beide hinter sich.
»Worum geht es?«
»Wie es scheint, bekommen wir bald Besuch. Wir befinden uns im Grenzgebiet, hinter dem Fluss beginnen die Jagdgründe der Sioux«, gab Cramer ruhig zurück. An Julia gewandt, fügte er hinzu: »Kein Grund zur Besorgnis, sie kommen in
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