Gewitter der Liebe
schließlich da. Windeln wurden mir von Mrs Garland gebracht, und du sollst dich bei ihr melden, wenn du etwas brauchst.«
Plötzlich fühlte Julia Tränen in sich aufsteigen. Alle waren so lieb zu ihr und griffen ihr unter die Arme, aber was sollte nun geschehen?
»Du und Joseph bleibt erst einmal bei mir, ich habe genug Platz – eigentlich viel zu viel Platz für mich alleine«, antwortete Nathan auf ihre Frage. »Mach dir also keine Sorgen.«
»Jetzt beanspruche ich schon zum zweiten Mal deine Gastfreundschaft.« Ein schüchternes Lächeln erschien auf Julias bleichem Gesicht. »Ohne dich wäre ich arm dran.«
»Unsinn, es gibt genug hilfsbereite Menschen in San Francisco. Bis du dich von dem Schrecken erholt hast, wirst du selbstverständlich nicht im Büro arbeiten.«
Doch das lehnte sie sofort mit der Begründung ab, dass sie bei der Arbeit etwas Zerstreuung fand, die sie am Nachdenken hindern würde.
Sie trank noch zwei weitere Tassen Kaffee, aß jedoch nichts, denn ihr Magen war wie zugeschnürt. Insgeheim beneidete sie Joseph, der den Schock vermutlich längst überwunden hatte.
Gleich nach dem Frühstück schickte sie Nathan in den Laden, holte das Baby aus dem Gästezimmer und legte es in sein Körbchen im Büro. Auf dem Schreibtisch lag eine lange Liste von Lieferscheinen, für die Rechnungsformulare ausgefüllt werden mussten – eine zeitraubende Angelegenheit, die Julia gerade recht kam.
Sie versuchte, nicht an das brennende Haus zu denken, nicht an das Knistern des Feuers und an den dichten Qualm, der die Luft vergiftet hatte; es gelang ihr nur teilweise. Immer wieder fiel ihr ein, dass sie im Grunde genommen über Nacht obdachlos geworden war. Dann umklammerten ihre Finger die Schreibfeder so fest, das sie zu zerbrechen drohte.
Gegen Mittag kam Nathan ins Büro und sagte: »Draußen steht Lilly, sie hat von dem Unglück gehört und bietet dir an, dich mit allem zu versorgen, was man als Frau so braucht.«
Empört sprang Julia auf. »Niemals werde ich von dieser Frau etwas annehmen, lieber laufe ich barfuß und in Lumpen herum!«
»Aber Julia, sie meint es doch nur gut.«
»Wie kannst du so etwas behaupten? Hast du schon vergessen, dass sie mich und Ross auseinanderbringen wollte?«
Mit einem ratlosen Achselzucken entfernte sich Nathan wieder, doch Julia war zu erregt, um sofort weiterarbeiten zu können. Sie fand es von Lilly geradezu unverschämt und dreist, sich in ihre Angelegenheiten einzumischen.
Nach einer Woche konnte Julia endlich den Verlust des Hauses akzeptieren. Sie wollte die traurigen Reste ihres einstigen Heimes nicht mehr sehen und bat Virgil, dort nach noch brauchbaren Gegenständen zu suchen.
Der junge Ire kam mit leeren Händen zurück. Es war alles durch das Feuer vernichtet – und hätte es noch etwas Brauchbares gegeben, wäre es längst von Plünderern mitgenommen worden.
»Sie beginnen, von allen Grundstücken die verkohlten Reste zu räumen«, wusste Virgil zu berichten. »Einige Besitzer planen bereits einen Neubau.«
Julia lachte hart auf. »Wozu die Mühe? Solange die Brandstifter nicht gefasst werden, ist ein Neubau die reinste Geldverschwendung. Niemand weiß, wann und wo diese Verbrecher das nächste Mal zuschlagen werden.«
»Die Polizei geht jedem Hinweis nach«, warf Nathan ein. »Und jeder Verdächtige ohne Alibi wird festgenommen und ins Gefängnis geworfen. Früher oder später finden sie die wahren Täter.«
Das tröstete Julia keineswegs, für sie und viele andere Bürger San Franciscos käme es viel zu spät.
Sie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe und sagte kaum vernehmbar: »Was Ross wohl sagen wird, wenn er sein Grundstück sieht?«
»Als Erstes wird er sich nach dir und dem Jungen erkundigen, hoffe ich«, sagte Nathan. »Danach kann er sich meinetwegen die Haare raufen wegen des finanziellen Verlustes.«
»Natürlich wird er glücklich sein, dass uns nichts passiert ist. Aber wo sollen wir dann leben?«
»Auch für Ross ist genug Platz in meinem Haus, Julia. Darüber musst du dir keine Gedanken machen. Es gibt immer eine Lösung …«
»Vielleicht bringt er ja dieses Mal genug Gold mit, damit er ein Backsteinhaus bauen kann.« Ihre Stimme klang hoffnungsvoll, doch Nathan wusste, dass sie sich selbst einredete, Ross würde als schwerreicher Mann zurückkehren.
»Wir werden sehen. Aber bis es so weit ist, steht euch mein Haus offen, das weißt du.«
Sie umarmte ihn, um ihre Dankbarkeit noch einmal zum Ausdruck zu bringen.
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