Gewitter der Liebe
Nathan, dass sie sich trotzdem oft ängstigte, wenn sie allein zu Hause war, und er bot ihr umgehend an, mit Joseph bei ihm zu übernachten. Doch das wollte sie nicht.
»Es gehört sich nicht«, erklärte sie ihm. »Was sollen denn die Leute denken, wenn ich im Hause eines anderen Mannes lebe?«
»Es kümmert dich doch auch nicht, was die Leute darüber denken, dass du mit einem Mann in wilder Ehe lebst und ein Kind von ihm hast«, konterte Nathan leicht gereizt. Er liebte Julia nach wie vor, aber ihre Naivität machte ihm oft zu schaffen. Sie war blind vor Liebe zu Ross, der diese bedingungslose Liebe gar nicht zu schätzen wusste und lieber in der Weltgeschichte herumreiste, anstatt sich um seine kleine Familie zu kümmern.
Julia spürte, dass sie Nathan mit ihrer Ablehnung verärgert hatte, und lenkte ein: »Ich danke dir vielmals für dein nettes Angebot. Wenn es mir zu unheimlich wird, nehme ich es vielleicht doch noch an.«
Er merkte, dass sie nur höflich sein wollte, und entgegnete nichts, sondern gab vor, die neue Lieferung von Goldpfannen überprüfen zu wollen. Doch im Stillen war er noch immer verstimmt, weil Julia sich in ihren Träumen verstrickte, anstatt endlich der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Immer öfter sah man in San Francisco heruntergekommene Männer, die in den Straßen herumlungerten und um Arbeit anfragten, um sich ein Schiffsticket für die Heimreise zu verdienen. Zwar trafen noch immer neue Abenteurer im Hafen ein, aber allmählich sprach es sich herum, dass die Flüsse in der Umgebung »leergefischt« waren. Doch viele hatten sich auch in der Stadt niedergelassen, die durch die Goldfunde zu Größe und Reichtum gekommen war.
Manchmal nahm Julia den Kleinen und besuchte Mrs Garland, die inzwischen eine neue Näherin eingestellt hatte, mit der sie aber nur bedingt zufrieden war.
»Niemand macht feinere Stiche als Sie«, vertraute sie Julia an. »Miss Anderson ist zwar eine nette Person, aber sie ist schüchtern und wird rot, wenn einer meiner Gäste sie anspricht.«
Auch Julia mochte das junge Mädchen, deren Vorfahren ebenfalls aus Schweden stammte. Bevor sie wieder nach Hause ging, gab sie Miss Anderson einige Tipps zum Nähen, die diese dankbar annahm; in der Zwischenzeit trug die Pensionswirtin das Baby stolz durch das Speisezimmer, als wäre sie seine Großmutter.
Ein Blick in den Raum zeigte Julia, dass sich die Art der Gäste tatsächlich allmählich veränderte – nur noch ungefähr ein Drittel waren Goldsucher, die anderen vornehmlich Vertreter von der Ostküste, die den Geschäftsleuten in San Francisco ihre Waren verkaufen wollten.
»Hat sich Ross immer noch nicht gemeldet?«, fragte Mrs Garland, als sie Julia zur Tür begleitete. »Er ist doch schon seit Wochen unterwegs.«
»Seit fast einem Monat«, erwiderte Julia mit gequältem Lächeln. »Nein, er hat sich noch nicht gemeldet, aber das kenne ich schon von ihm. Ich mache mir eher Gedanken darüber, ob ihm etwas passiert sein könnte.«
» Das hätten Sie sicher längst erfahren. Wie schade, dass es ihn ständig in die Ferne zieht, so verpasst er doch die schönsten Momente mit seinem Söhnchen.«
Als ob ihn das interessieren würde, dachte Julia mit einem Anflug von Verbitterung. Nathan hingegen sah jedes Mal nach dem Jungen, wenn er das Büro betrat – daran sollte sich Ross ein Beispiel nehmen!
Tief in Gedanken versunken, schlenderte Julia heimwärts. Sie ertappte sich bei dem Wunsch, dass Ross einige von Nathans Charakterzügen besitzen würde; dann wäre alles viel leichter zu ertragen.
Ross war nun bereits zwei Monate fort, und Julia ertrug aus Gewohnheit die Einsamkeit etwas besser. Gelegentlich erinnerte sie sich an Nathans gutgemeintes Angebot, aber sie schwor sich, es niemals anzunehmen. Sie hatte bewusst ein Leben an der Seite eines Abenteurers gewählt und hatte deswegen keinen Grund zum Jammern. Nach wie vor redete sich Julia ein, dass sie halt so viel Geduld aufbringen musste, bis Ross genügend Gold gefunden hatte, damit er zufrieden war.
Seit Josephs Geburt hatte sich Julia einen leichten Schlaf angewöhnt; beim geringsten Geräusch aus dem angrenzenden Kinderzimmer war sie hellwach und sprang aus dem Bett. Eines Nachts jedoch versagte dieser Instinkt zunächst; sie hörte gedämpfte, jedoch energische Stimmen und ein aufdringliches Pochen an der Haustür. Da diese Geräusche eindeutig nicht von dem Baby kommen konnten, drehte sich Julia auf die andere Seite und schlief wieder ein.
Doch
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