Gewitter der Liebe
unvermittelt musste sie husten, und als sie die Augen aufschlug, roch sie es ganz deutlich: Es brannte! In Windeseile erreichte sie das Kinderzimmer und riss den kleinen Joseph aus seiner Wiege. Unten schlug jemand die Haustür ein und rief Julias Namen.
»Kommen Sie schnell herunter, Miss O’Donovan!«, rief eine männliche Stimme. »Beeilen Sie sich und lassen Sie alles stehen und liegen. Wenn Sie länger warten, wird das Feuer den Flur und die Treppe erreichen, und Sie sind verloren!«
Bevor Julia antworten konnte, bekam sie einen neuerlichen Hustenanfall; im bleichen Mondlicht, das durch das Fenster schien, war deutlich dicker, dunkler Rauch zu erkennen.
Ohne sich noch einmal umzudrehen, stolperte Julia mit dem Baby die Treppe hinunter; Joseph, der durch die Unruhe erwacht war, schrie vor Angst und Aufregung aus Leibeskräften.
Am unteren Treppenabsatz wurde sie bereits von Männern der Feuerwehr und von Nachbarn erwartet; hilfsbereite Hände nahmen das Baby und führten Julia aus dem Haus. Sie konnte sehen, dass es im Wohnzimmer lichterloh brannte, Gardinen und Polstermöbel standen bereits in hellen Flammen, und die ersten Flämmchen leckten an den Möbeln.
Julia war viel zu erstarrt, um weinen zu können. Man zerrte sie auf die Straße und jemand legte eine Decke um ihre Schultern, denn sie trug nur ihr dünnes Nachthemd. Und dann sah sie, dass jedes Haus in der Straße brannte.
»Die Kerle haben die Fenster in den unteren Etagen eingeschlagen und brennende Fackeln ins Innere geworfen«, hörte Julia einen Mann in Unterwäsche und mit von Ruß geschwärztem Gesicht neben sich mit vor Aufregung heiserer Stimme sagen, und erkannte ihren direkten Nachbarn.
»Wo ist mein Baby?«, schrie sie unvermittelt auf. »Bitte gebt mir meinen Sohn zurück!« Sie schluchzte auf, und dann wurde ihr Joseph in den Arm gelegt. Der Kleine hatte sich mittlerweile so weit beruhigt, dass er nicht mehr weinte, sondern mit großen Augen auf das Feuer im Haus seiner Eltern starrte, in dem die Flammen mittlerweile den Flur erreicht hatten und wo mit großen Getöse die Treppe zusammenbrach.
Die Männer von der Feuerwehr konnten nicht viel tun. Sie und ihre freiwilligen Helfer standen einfach da und mussten hilflos mit ansehen, wie ein Haus nach dem anderen in sich zusammenfiel und nichts als rauchende Balken zurückließ.
Wie gelähmt standen alle da und sahen ihren Besitz in den Flammen umkommen. Julia merkte nicht, dass sie keine Schuhe trug und Joseph dicht an sich presste. Und den anderen ehemaligen Hausbesitzern ging es ähnlich; von den Frauen war unterdrücktes Schluchzen zu hören, von den Männern verzweifelte Drohungen gegen die Brandstifter.
Als Julia plötzlich eine warme Hand auf ihrer Schulter spürte, reagierte sie zunächst nicht. Ihr Blick klebte an dem Haus, von dem in einer halben Stunde nichts übrig sein würde.
»Julia …«
Erst als sie Nathans weiche Stimme erkannte, drehte sie sich um. »Seid ihr verletzt?« Stumm schüttelte sie den Kopf.
»Ihr kommt fürs Erste zu mir«, hörte sie ihn weitersprechen. »Mein Wagen steht da vorne.«
Er griff sie leicht beim Arm, doch sie wehrte sich. »Warte noch einen Moment, ich …«
»Quäl dich doch nicht selbst. Das Haus ist nicht zu retten, das siehst du doch. Diese Verbrecher haben es wieder einmal geschafft!«
Sie schluchzte laut auf. »Alles, was Ross sich erschaffen hat, ist vernichtet. Wie soll ich ihm das nur beibringen.«
»Er wird es verkraften, wie es alle verkraften müssen, die in dieser Straße wohnten. Ross sollte mehr daran gelegen sein, dass du und das Baby überlebt habt. Komm jetzt, sonst erkältest du dich noch.«
Widerstandslos ließ sich Julia zu Nathans Wagen führen, in ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Jetzt hatte sie nichts mehr, das Feuer hatte alles vernichtet außer dem Leinennachthemd, das sie trug, und der Wolldecke, in die Joseph eingewickelt war. Zum Glück lagerte ihr Lohn in Nathans feuerfestem Tresor, doch das Geld würde nicht ausreichen, um auch nur die nötigsten Neuanschaffungen zu machen.
Im Zentrum war es seltsam ruhig, denn die meisten Menschen waren zu den brennenden Häusern gerannt – teils, um zu helfen, teils aus Sensationslust.
Nathan brachte Julia in seinem gemütlichen Gästezimmer unter. »Schlaf dich erst einmal aus, morgen sehen wir weiter. Ich werde in der Zwischenzeit etwas zum Anziehen für dich und Windeln für den Kleinen besorgen.«
Ermattet nickte sie, und nachdem Nathan sie allein
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