Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
verlieren. Schon einmal hatte er einer Frau sein Herz geöffnet und war bitter enttäuscht worden. Diesen Fehler durfte er nicht noch mal machen.
“Gibt es etwas Spezielles, um das ich mich als Erstes kümmern soll?”, riss sie ihn aus seinen Gedanken. Ihre Stimme klang so sanft, so weich. Er konnte den Blick nicht von ihren Lippen abwenden, doch als sie zu Ende gesprochen hatte, bemerkte er, dass kaum ein Wort von dem, was sie gesprochen hatte, zu ihm durchgedrungen war.
Er blinzelte irritiert. “Entschuldigung, was haben Sie gesagt?”
“Ich fragte, ob es etwas Bestimmtes gibt, was zuerst erledigt werden muss”, wiederholte sie.
“Ähm … nein”, erwiderte er rasch. Er wurde das Gefühl nicht los, dass die Zusammenarbeit zwischen Annie und ihm noch um einiges komplizierter werden könnte, als er es sich ohnehin schon vorgestellt hatte. Sich zu konzentrieren, wenn sie ihm gegenübersaß, grenzte ans Unmögliche. “Sie können dann gehen und sich mit Ihrem Arbeitsplatz vertraut machen. Die wichtigste Aufgabe, die uns in der nächsten Zeit bevorsteht, wird der Bergström-Deal sein. Darin müssen wir all unsere Kraft stecken.
“Bergström-Deal?” Fragend sah sie ihn an.
“Ich hatte angenommen, dass mein Onkel Sie bereits über die Details in Kenntnis gesetzt hat, doch wie ich sehe, ist dies nicht der Fall. Wie Sie wissen, ist O’Brannagh Industries vornehmlich ein Zulieferer von Motorteilen für die Automobilindustrie. Wir investieren jedes Jahr Unsummen in die Forschung, doch oftmals sind es Außenstehende, die mit brillanten Ideen an uns herantreten. In diesem Fall handelt es sich um eine Innovation des jungen Ingenieurs Olaf Bergström. Er hat ein spezielles Ventil entwickelt, das nicht nur qualitativ hochwertiger ist als alles, was der Markt bisher zu bieten hatte, sondern auch den Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs drastisch reduziert.”
Annie nickte. “Ich verstehe. Wer auch immer den Zuschlag für dieses Ventil bekommt, kann damit ein Vermögen verdienen.”
“So ist es. Deshalb ist es auch so wichtig, dass bei den Verhandlungen mit Bergström mit äußerster Diskretion vorgegangen wird. Bisher weiß nämlich – abgesehen von einem kleinen Kreis Eingeweihter – niemand von seiner Erfindung. Olaf Bergström verhandelt zurzeit ausschließlich mit O’Brannagh Industries. Und es ist wohl unnötig zu betonen, wie wichtig es ist, dass dies auch so bleibt.”
“Aber …” Sie runzelte die Stirn. “Wie kommt es, dass dieser Olaf Bergström ausgerechnet mit O’Brannagh Industries in Verhandlungen tritt? Ich meine, ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber es gibt doch sicherlich Konkurrenten, die in der Lage wären, einen weit höheren Preis für sein Patent zu zahlen.”
Grey lächelte verschmitzt. “Nun, an diesem Beispiel zeigt sich wieder einmal, wie wichtig Nachwuchsförderung ist. Olaf Bergström ist hier in Sjönderby aufgewachsen und zur Schule gegangen. Später hat er seine Ausbildung bei O’Brannagh Industries absolviert, wo schon bald seine besonderen technischen Talente aufgefallen sind. Deshalb beschlossen wir, ihm mithilfe eines Stipendiums das Studium an der Universität von Stockholm zu ermöglichen.”
“Dann hat er also Ihnen, oder besser O’Brannagh Industries, einiges zu verdanken”, folgerte Annie. “In diesem Fall wundert es mich nicht mehr, dass er mit seiner Entdeckung zuerst zu Ihnen gekommen ist.”
“Ja, und wir haben bereits viel Zeit und Geld investiert, um Bergströms Patent für uns zu sichern. Sie verstehen sicher, wie wichtig dieser Deal für O’Brannagh Industries ist.” Greys Gesichtsausdruck verfinsterte sich. “Deshalb ist es umso schlimmer, dass aller Wahrscheinlichkeit nach Informationen über die Verhandlungen mit Bergström nach außen gesickert sind.”
“Industriespionage?”, fragte Annie erschrocken.
Grey nickte. “Wie es aussieht, war mein ehemaliger Sekretär Peter Martensen die undichte Stelle. Als ich ihn beim Kopieren vertraulicher Unterlagen erwischte, habe ich ihn selbstverständlich sofort gefeuert. Aus diesem Grunde sind Sie jetzt hier, Annie. Mein Onkel hat Sie mir empfohlen und mir versichert, dass ich mich hundertprozentig auf Ihre Loyalität verlassen kann.”
“Selbstverständlich.”
“Gut.” Grey nahm einen Stapel Akten von seinem Schreibtisch und reichte sie Annie. “Auf Basis dieser Unterlagen sollten Sie in der Lage sein, einen ersten Angebotsentwurf zu erstellen.”
Annie nickte knapp, erhob sich
Weitere Kostenlose Bücher