Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
erwartest du eigentlich? Du schleppst mich hierher, wohl wissend, dass ich nicht das geringste Interesse an Veranstaltungen wie dieser hier habe, und erwartest auch noch, dass ich mich darüber freue? Tut mir leid, aber meine Zeit ist mir zu kostbar, um sie mit unsinnigen Albernheiten zu verschwenden.”
Verärgert verschränkte Henrik die Arme vor der Brust. “Gütiger Himmel, wie konnte nur ein so verbohrter Griesgram aus dir werden? Zudem finde ich dein Verhalten Annie gegenüber äußerst unhöflich.”
“Ich möchte wirklich nicht …”, schaltete sich Annie ein, aber der große Schwede winkte ab. “Sie brauchen gar nicht zu versuchen, es zu beschönigen. Ich finde ein solches Verhalten jedenfalls äußerst rüpelhaft.” Er maß Grey mit einem strafenden Blick. “Wirklich, du solltest dich schämen. Annie ist gerade einmal ein paar Tage in der Gegend. Gerade dir, ihrem Arbeitgeber, sollte es doch wirklich am Herzen liegen, dass sie sich möglichst rasch bei uns einlebt.”
Annie wäre am liebsten auf der Stelle vor Scham im Boden versunken. Was dachte Henrik Ljundberg sich denn bei der ganzen Sache?
Schließlich winkte Grey entnervt ab. “Schon gut, schon gut, du hast gewonnen. Wenn dir so viel daran liegt, werde ich euch eben begleiten. Aber lass uns wenigstens zuerst die Einkäufe erledigen, einverstanden?”
Henrik grinste zufrieden. Man hätte meinen können, dass es niemals auch nur die geringsten Differenzen zwischen ihm und seinem Freund gegeben hätte. Fröhlich klopfte er ihm auf die Schulter. “Mach dir darum mal keine Gedanken, mein Junge. Die Einkäufe übernehme selbstverständlich ich. Du kannst Annie ja derweil ein bisschen herumführen. Wir treffen uns dann auf dem Rathausplatz.”
“Was? Aber …”
“Nein, du brauchst mir nicht zu danken. Wozu sind Freunde schließlich da?”
Mit diesen Worten stieg er aus dem Wagen und war Sekunden darauf in der Menge verschwunden.
Grey starrte seinem Freund hinterher, als habe der den Verstand verloren. Einen schrecklichen Moment lang hing ein erdrückendes Schweigen in der Luft, dann atmete er tief durch und sagte: “Also gut, es bleibt uns ja kaum eine andere Wahl, nicht wahr? Steigen Sie aus, Annie. Ich zeige Ihnen Sjönderby.”
Seine Worte waren für Annie wie ein Schlag ins Gesicht. Ja, sie genoss seine Nähe aus unerfindlichen Gründen, doch eines wollte sie auf keinen Fall: sein Mitleid. Und so nett Henrik auch war – in diesem Moment hätte sie ihn am liebsten für sein Verhalten verflucht. Es lag auf der Hand, dass er Grey und sie allein lassen wollte. Aber ging er da nicht einen Schritt zu weit?
“Danke, aber ich komme auch allein zurecht”, erwiderte sie weit schnippischer, als beabsichtigt. “Ich sehe mich einfach selbst ein wenig um und warte dann später hier am Wagen auf Sie.”
“Das ist doch lächerlich”, fegte Grey ihren Einwand beiseite. “Henrik hat recht, ich war äußerst unhöflich. Zudem wäre es doch albern, wenn wir jetzt getrennt voneinander durch die Stadt ziehen. Glauben Sie mir, Sjönderby ist ein entzückendes kleines Städtchen, und am besten erforscht man es gemeinsam mit jemandem, der sich hier auskennt.”
Jetzt lächelte er sie an, und prompt schlug Annies Herz höher. Es war, wie sie erwartet hatte – sein Lächeln brachte sie um den Verstand.
Rasch rief sie sich zur Ordnung und nickte. Was Grey gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Es wäre dumm, darauf zu bestehen, dass sich ihre Wege hier trennten. Dumm und albern. Schließlich war sie kein kleines Schulmädchen mehr, das beim Anblick seines Schwarms weiche Knie bekam. Außerdem hatte sie sich vorgenommen, ein möglichst normales Verhältnis zu ihrem neuen Arbeitgeber aufzubauen. Und das konnte nur dann funktionieren, wenn sie ihm nicht weiter aus dem Weg ging.
“In Ordnung.” Sie lächelte schüchtern. “Ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie mich ein wenig herumführen könnten.”
“Das ist ja …” Annie blickte sich um und schüttelte ungläubig den Kopf. Ganz Sjönderby schien sich an diesem Tag auf dem geräumigen Rathausplatz versammelt zu haben. Ein riesiges schneeweißes Zelt war aufgestellt worden, das umgeben war von Buden und Marktständen, an denen köstlich duftende Speisen und Getränke feilgeboten wurden. Fröhliche Musik und Stimmengemurmel erfüllten die Luft.
“Herrlich?”, half Grey ihr schmunzelnd aus. “Oder eher fantastisch? Überwältigend?”
Annie lachte. “Das alles und noch viel
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