Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
ließ sie sich auf ihr Bett fallen und barg das Gesicht in den Händen. Wie sollte es jetzt bloß weitergehen? Konnte sie wirklich weiterhin mit ihm zusammenarbeiten? So tun, als wäre nichts geschehen?
Nein, das konnte einfach nicht funktionieren. Nicht für sie. Der Gedanke, Grey den ganzen Tag nahe zu sein, ihn zu lieben, ohne dass er ihre Liebe erwiderte, brachte sie fast um den Verstand. Und wahrscheinlich würde sie früher oder später daran zugrunde gehen.
Doch was sollte sie tun? Wie sahen die Alternativen aus?
Stundenlang zerbrach sie sich den Kopf über diese Fragen, doch einer Lösung kam sie nicht einmal ansatzweise näher.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, wusste Annie sofort, dass etwas nicht stimmte. Das Unwohlsein, das sie schon im Moment der Aufwachens verspürt hatte, steigerte sich zu rumorender Übelkeit, als sie sich aus dem Bett erhob. Erschrocken schlug sie die Hand vor den Mund und rannte hinüber ins Badezimmer. Sie schaffte es gerade rechtzeitig, die Toilette zu erreichen.
Ein paar Minuten später stand sie vor dem Waschbecken und wusch sich das Gesicht. Als sie sich aufrichtete, fiel ihr Blick in den Spiegel. Sie erkannte sich selbst kaum wieder. Wer war dieses bleiche Geschöpf mit den dunklen Ringen unter den Augen, das ihr entgegenstarrte?
Du hast dich die halbe Nacht über unruhig im Bett herumgewälzt, versuchte sie sich zu beruhigen. Und die unerfreuliche Begegnung mit Joanna hat auch nicht unbedingt dazu beigetragen, dein Wohlbefinden zu steigern. Zudem die Aufregung und der Stress der letzten Tage. Ist es da wirklich ein Wunder, dass dein Körper rebelliert?
Nachdem sie sich angekleidet hatte, ging sie hinunter in den Speiseraum. Einerseits hatte sie gehofft, Grey dort anzutreffen, andererseits hatte sie es gefürchtet. Doch an seiner Stelle fand sie Joanna vor, die gerade etwas aus einer Schale löffelte, das wie Haferbrei aussah.
Allein dieser Anblick drehte Annie schon wieder den Magen um, aber sie schaffte es, die Übelkeit herunterzukämpfen, und setzte sich tapfer auf ihren Platz. Schweigend bestrich sie eine Scheibe Brot mit Marmelade. Sie bemühte sich, die andere Frau so wenig wie möglich zu beachten.
“Sie sind nicht sonderlich gesprächig”, stellte Joanna nach einer Weile fest. “Wahrscheinlich sind Sie immer noch böse auf mich, weil ich gestern Abend so unhöfliche Sachen über Sie gesagt habe.”
“Nein”, erwiderte Annie schlicht. Ein Gespräch mit Greys Exfrau war so ziemlich das Letzte, wonach ihr der Sinn stand. Vor allem, da ihr Magen noch immer Purzelbäume zu schlagen schien. Was war bloß los mit ihr, verflixt?
Joanna zuckte gleichgültig mit den Schultern. “Nun, dann eben nicht. Ich kann verstehen, dass Sie nicht gerade begeistert über meine Anwesenheit sind, meine Liebe. Aber wenn Grey vernünftig ist, werde ich auch ganz schnell wieder verschwunden sein.” Sie lächelte falsch. “Übrigens, Sie sehen ein bisschen blass aus heute Morgen. Geht es Ihnen nicht gut?”
Die heftige Welle der Übelkeit traf Annie gänzlich unvorbereitet. Ihre Augen wurden groß, als bittere Galle ihre Kehle hinaufstieg. Sie sprang so hastig auf, dass ihr Stuhl beinahe umkippte. Dann rannte sie zum nächstgelegenen Badezimmer und übergab sich. Als sie den Raum verließ, erwartete Joanna sie bereits.
“Oh, Sie Arme”, sagte sie gespielt mitfühlend. “Lassen Sie mich raten, Sie haben gerade Ihre Periode bekommen, nicht wahr? Glauben Sie mir, ich kenne das Problem. Aber es gibt da ein paar ziemlich gute Tricks, wissen Sie? Wenn Sie möchten, ver…”
Annie ließ sie einfach stehen und lief zu ihrem Zimmer hinauf. Dort angekommen blieb sie schwer atmend mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt stehen. Sie fühlte sich schwach, und ihre Knie zitterten. Verdammt, wie hatte sie das bloß übersehen können? Doch erst Joannas Worte hatten ihr die Wahrheit vor Augen geführt.
Seit fast zwei Monaten arbeitete sie nun schon für Grey. Jene berauschende Nacht nach dem Fest in Sjönderby lag nunmehr gut achtundfünfzig Tage zurück. Und sie hatte die ganze Zeit über nicht einmal bemerkt, dass ihre Periode ausgeblieben war.
War sie etwa – schwanger?
Kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn. Nicht, dass sie etwas gegen Kinder hatte. Ganz im Gegenteil. Sie hatte sich immer schon gewünscht, eines Tages einmal eine große Familie zu haben. Jedoch gemeinsam mit einem Mann, der sie liebte. Und, sofern sie recht hatte, gab es nur einen Mann, der als Vater ihres
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