Gewitter über Emilienlund: Mittsommerglück (German Edition)
wusste ja gar nicht, dass du ein Faible für farblose Mauerblümchen entwickelt hast.”
Der Anblick von Annie, die unter Joannas bösen Worten zusammenzuckte, steigerte Greys Wut sogar noch. “Ich frage dich jetzt noch ein allerletztes Mal, Joanna: Was willst du hier? Du bist hier nicht erwünscht, das dürfte dir doch wohl klar sein, oder etwa nicht?” Er ergriff ihren Unterarm und zog sie auf die Veranda hinaus. “Steig in dein Auto, und mach, dass du wegkommst. Und wenn du es wagst, mir noch einmal unter die Augen zu treten, werde ich eine Unterlassungsklage gegen dich anstreben, hast du mich verstanden?”
Mit einem zornigen Aufschrei machte Joanna sich von ihm los. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, doch schon in der nächsten Sekunde hatte sie sich wieder im Griff. “Komm schon, Grey, lass uns erst einmal über alles reden, ja?” Ihre Stimme klang nun völlig anders, einschmeichelnd, fast eine Spur flehend. “Um der guten alten Zeiten willen.”
“Soweit es mich betrifft, gab es keine
guten
alten Zeiten. Meine Vergangenheit mit dir ist garantiert nichts, was ich jemals wieder würde aufleben lassen wollen.” Er verschränkte die Arme vor der Brust. Seine ganze Haltung drückte Ablehnung aus, doch irgendwie schaffte Joanna es, sich davon nicht beeindrucken zu lassen. “Was willst du von mir? Warum bist du hergekommen? Als du dich das letzte Mal hast blicken lassen, hatte dich deine damalige Geldquelle im Stich gelassen. Ist es das, Joanna? Brauchst du Geld?”
Ganz offensichtlich hatte er den Nagel genau auf den Kopf getroffen. Die Maske eiserner Beherrschtheit begann zu bröckeln, und was darunter zum Vorschein kam, war längst nicht so überlegen und kaltblütig, wie Joanna so bemüht vorgeben wollte.
Sie trat einen Schritt auf Grey zu, ihre Augen funkelten bedrohlich. “Ja, ich brauche Geld”, fauchte sie. “Viel Geld sogar, um die Wahrheit zu sagen. Du kennst mich, und du kennst meinen Lebensstil. Und weil augenblicklich niemand da ist, um mein Leben in angemessener Weise zu finanzieren, erwarte ich, dass du einspringst, mein Lieber.”
Fassungslos starrte Grey sie an, dann begann er schallend zu lachen. “Jetzt hast du wohl völlig den Verstand verloren, was? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich für deine Eskapaden aufkommen werde? Entschuldige bitte, aber die Zeiten sind nun wirklich vorbei. Und zwar endgültig!”
“Hast du nicht noch eine Kleinigkeit vergessen?”, kreischte Joanna, als Grey Anstalten machte, sie zu ihrem Wagen zu bringen. “Oder hat dein Anwalt dir etwa noch nicht mitgeteilt, dass es da noch ein winziges Detail gibt, das wir beide regeln müssen, ehe wir, du und ich, geschiedene Leute sind?”
Grey blieb wie angewurzelt stehen. Wovon sprach Joanna eigentlich? Handelte es sich um einen Schuss ins Blaue, um Zeit zu gewinnen? Oder hatte sie tatsächlich noch einen Trumpf im Ärmel?
“Soweit es mich betrifft, gibt es schon sehr lange Zeit kein ‘du und ich’ mehr. Davon abgesehen habe ich nicht die geringste Ahnung, worauf du eigentlich hinauswillst.” Er musterte sie kalt. Mein Gott, wenn er jetzt darüber nachdachte, dass diese Frau einmal sein Herz besessen hatte … Ihm wurde ganz übel. “Vor dem Gesetz sind wir geschiedene Leute. Das habe ich schriftlich, wie du weißt.”
Joanna schien instinktiv zu spüren, dass sie dabei war, wieder die Oberhand zu gewinnen. Sie lächelte hinterhältig. “Ja, das dachte ich bis vor Kurzem auch. Um genau zu sein, bis zu dem Tag, an dem sich dein Anwalt an mich wandte. So wie es aussieht, waren die Scheidungspapiere nicht vollzählig, mein Lieber. Durch irgendeinen dummen Zufall ist ein wichtiges Dokument abhanden gekommen. Ein Dokument, ohne das wir – du und ich! – noch immer Ehemann und Ehefrau sind.”
“Das kann unmöglich sein!”, donnerte Grey. Er stand kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. In seinem Kopf wütete ein einziges Chaos. Konnte es womöglich wahr sein? Ihm fiel ein, dass sein Anwalt vor ein paar Wochen tatsächlich nach einem Dokument aus den Scheidungspapieren gefragt hatte. Jedoch nur ganz nebensächlich, keinesfalls, als handelte es sich um etwas Wichtiges.
“Aber es ist so!” Sie stieß ein schadenfrohes Lachen aus. “Ich bin noch immer deine Frau. Sag, freust du dich nicht, Liebster?”
“Also gut, Joanna. Sag mir, was du verlangst, und dann rück diese verfluchten Papiere heraus und verschwinde.”
“Weißt du was, ich habe es eigentlich gar nicht eilig. Es
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