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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Tageslicht gezerrt werden. Als hätten sich die
Kontrahenten von der ersten Sekunde ihrer Beziehung an auf diesen Kampf
vorbereitet. Das macht die Sache ja so schwer für die Gerichte, die Fülle an
erschreckenden Details. Doch die faktische Dreckwäsche allein ist es noch
nicht. Zum Krieg gehört die Manipulation, die Tücke, die Tarnung, vor allem
aber bedeutet Krieg eines: die Erfindung des Feindes. Ausgehend vom
tatsächlichen Gegner wird ein Feind kreiert, wie er gar nicht existiert.
    Es gibt freilich gute und schlechte Erfindungen. Es gibt neue
Düsenantriebe, die funktionieren, und welche, die nicht funktionieren. Fritz’
Versuche, seine Frau anzuschwärzen, erwiesen sich als mangelhaft. Sheila war da
wesentlich geschickter. Sie zog gleich mehrere Zeugen aus der Tasche, die davon
berichteten, ihr Mann hätte sich zu Übergriffen gegen die beiden Töchter
hinreißen lassen. Vor allem die Äußerungen des Kindermädchens wogen schwer, wie
auch die von Sheilas Mutter sowie eines Nachbarn. Fritz war fassungslos. Wenn
man ihm etwas vorhalten konnte, dann dasselbe wie Sheila: sich nicht um die Kinder gekümmert zu haben, sie bloß als
Schauobjekte zu gewissen Veranstaltungen mitgeschleppt und sich im übrigen auf
das Mitbringen von Geschenken, auf Gutenachtküsse und wochenendbedingte
Kommunikationsminiaturen beschränkt zu haben. Wie hätte es überhaupt zu
Übergriffen kommen können? Übergriffe, deren genaue Art ein wenig vage blieb.
Die Vorwürfe reichten aber vollends aus. Das hier war kein Mordprozeß, wo man
etwas beweisen mußte. Es galt, sich ein Bild zu machen von den beiden
Elternteilen. Fritz’ Bild wurde – während sich sein von Sauriern leider
verschont gebliebener Anwalt aufs Schulterzucken verlegte – zusehends dunkler.
Geradezu ein Dorian Gray. Am Ende mußte er froh sein, die Mädchen unter
strengen Auflagen überhaupt noch sehen zu dürfen. Sheila hatte sich als
cleverer und kaltblütiger erwiesen. Sie lernte dann sehr bald einen neuen Mann
kennen …
    Fritz hatte verloren. Doch er wollte es genau wissen. Er heuerte
einen Privatdetektiv an, der sich das ehemalige Kindermädchen vorknöpfte. Der
Detektiv knöpfte sich eine Menge Leute vor. Und das Interessante war nun, daß
es nicht Sheila gewesen war, die diese Leute samt ihrer Aussagen gekauft hatte,
sondern Kreise aus der Unterwelt.
    Â»Was für Kreise aus der Unterwelt?« fragte Fritz.
    Â»Wollen Sie das wirklich wissen?« erkundigte sich der Detektiv, der
die etwas merkwürdige Anschauung vertrat, daß das, was man unter Wahrheit
verstand, seit den Siebzigerjahren sehr viel an Qualität eingebüßt habe. Die
Wahrheit unserer Tage sei teuer, dafür schlecht.
    Doch das kümmerte Fritz nicht. Er wollte diese Wahrheit erfahren.
Und erfuhr sie. Hinter der ganzen Sache schien jener Mann zu stehen, den Sheila
angeblich erst Monate nach ihrer Scheidung kennengelernt hatte und zu dem sie
dann mit den Kindern gezogen war. Ein anerkannter Mediziner, welcher offiziell
mit keinerlei Unterweltlern in Verbindung gebracht wurde…meine Güte, der Mann
war eine Kapazität, ein Mann fürs Fernsehen, ein Mann für die Spendengala. Aber
gerade Mediziner, zumindest die anerkannten, treibt es in die Unterwelt. Schwer
zu sagen, warum das so ist. Vielleicht finden sie dort die besseren Patienten.
Vielleicht finden sie dort Leute, die weniger jammern und mehr bezahlen.
Vielleicht.
    Jedenfalls war es dieser Chirurg gewesen, den die Kollegen so
scherzhaft wie anerkennend das gute Messer nannten,
welcher die Manipulationen in Auftrag gegeben hatte, denen es zu verdanken war,
das Fritz als ein miserabler Vater erschien, als ein Choleriker, der
möglicherweise sogar seine Kinder geschlagen hatte und welcher jetzt praktisch
gar kein Vater mehr war, seine beiden Töchter wie hinter einem Sauerstoffzelt
erlebte und ganz gut wußte, daß die Sache nur noch schlimmer werden würde.
Keine Frage, Sheila würde alles unternehmen, aus ihrem neuen Mann auch den
neuen Vater ihrer Kinder zu machen. Was offenkundig von diesem selbst seit
langem geplant worden war.
    Fritz war kein Mediziner. Er war zwar weder dumm noch arm, aber er
war kein Mediziner. Er hatte keinen Kontakt zur Unterwelt. Er würde niemals in der Lage sein, einen Kerl wie diesen
Arzt auszustechen, ein gutes Messer an die Wand zu
spielen. Das wußte er. Das begriff er.

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