Gewitter über Pluto: Roman
auf der anderen Seite der dicht verschlossenen Türe
stand und nicht wissen konnte, ob Lorenz bereits gestorben war oder nicht.
Lorenz überlegte, die Tastatur an der AuÃenhaut des Behältnisses, in
dem Inger stecken muÃte, zu berühren und die Zahl 134340 einzugeben. Ãberzeugt,
daà sich auf diese Weise die Türe öffnen würde und er dann also feststellen
konnte, ob Inger tot war oder nicht.
Aber er schreckte zurück. Was war, wenn die Zeit des Atoms und damit
natürlich auch Ingers Zeit bereits abgelaufen waren und folglich das
freigewordene giftige Gas sich beim Ãffnen in dem seinen noch unvergifteten
Raum ausbreiten würde?
Andererseits: Wollte er noch leben, wenn Inger es nicht mehr tat?
Die Sekunden verstrichen und dehnten sich zu Ewigkeiten
von der Art zitternder Knie. Am Horizont ging eine kleine, blasse Kugel auf:
Pluto. Wie schön!
Wir sind alle theoretische Katzen.
Einige Anmerkungen
1 ) Kapitel 3 endet mit dem Hinweis
auf die unglückliche, von einem Partnerinstitut herbeigeführte Ehe zwischen
Fritz und Sheila, eine Ehe, welche mit dem Tod der Frau sowie der Bestrafung
des Mannes dadurch, am Leben bleiben zu müssen, endet. Für all jene Leser, die
an dieser Geschichte wie vielleicht überhaupt an der Horribilität der Ehe ein
gewisses Interesse besitzen, möchte ich die Ereignisse im folgenden näher
beschreiben, und zwar unter dem Titel:
Â
Manche suchen das Glück und finden eine
Bombe
Am Anfang ging es. Aber am Anfang geht es meistens. Das
ist nicht eine Frage des Wirkens, sondern des Wollens. Man will eben, daà es
geht. So wie man es wollen kann, statt der üblichen zehn Liegestütze mal
fünfzehn zu machen, sechzehn, mit aller Kraft und hochrotem Kopf auch noch
siebzehn. Danach ist man natürlich fix und fertig. Und fragt sich, was das
eigentlich soll.
Fritz und Sheila fragten sich, warum sie geheiratet hatten. Nicht,
daà sie laut fragten. Sie sahen sich nur auf diese bestimmte Weise an, wie man
jemanden anguckt, dem Haare aus den Nasenlöchern wachsen oder bei dem die
Augenbrauen in der Mitte zusammenstoÃen. Nicht wirklich schlimm, aber schon
komisch. Was nichts daran änderte â boshafte Natur! â, daà ein Kind auf die
Welt kam, dann ein zweites. Ein Kindermädchen wurde engagiert, damit die
Kleinen nicht ganz so ins Gewicht fielen. Fritz und Sheila mochten ihren
Nachwuchs ganz gern, doch so richtig zu lieben fingen sie ihre Schätzchen erst
an, als ein paar Jahre später das Wort Scheidung fiel.
Es ist ein unabänderbares Phänomen. Dieselben Kinder, die man bis
dahin im Farbenmeer eines Kinderzimmers, verdeckt von irgendeiner Französisch
sprechenden Aupairexistenz, kaum ausmachen konnte â man muà es gestehen, ein
kleines Pelztier namens Alf wäre einem näher gestanden â, dieselben Kinder
erstrahlen plötzlich in hellstem Glanz. Man sieht ihre Lieblichkeit, ihr feines
Wesen, genieÃt ihre Zärtlichkeit, staunt über ihre Gescheitheit⦠Gott, von wem haben sie das? Doch nicht
von dieser Kindermädchenzicke mit ihrem schmalzigen Getue und einem
bretonischen Dialekt, den keiner versteht. Man kommt nicht umhin, sich diese
Gescheitheit selbst anzurechnen. Ja, man schaut in diese Kinder wie in einen
Spiegel hinein, der nun wirklich ein magischer Spiegel ist und einem nur Sachen
zeigt, die man gerne gezeigt bekommt.
Darum ist eine Scheidung so wertvoll. Man beginnt Kinder zu lieben,
die man sonst kaum wahrgenommen hätte, zumindest erst sehr viel später, wenn
die Probleme losgehen: Drogen, SchulrausschmiÃ, Diebstahl, falscher Umgang,
Schwangerschaft. So aber erlebt man das Wunder kleiner Engel. Und alles wäre so
himmlisch, wäre da nicht der andere, der Gegenspieler, welcher ebenfalls darauf
besteht, das Wunder kleiner Engel zu erleben. Plötzlich, dieses Arschloch!
Fritz und Sheila zogen in den Krieg, jeder mit dem Anspruch, die
Kinder, fünf Jahre und vier Jahre, beide Mädchen â man hätte genausogut sagen
können: die Grundstücke, 5 Ar und 4 Ar, beide mit Meerblick â, die Kinder also
ganz für sich zu behalten. Weil der jeweils andere Elternteil jegliches
Verantwortungsgefühl vermissen lasse, unverläÃlich sei, eine Bedrohung, eine
Gefahr für die Kinderpsyche, für die gesunde Entwicklung und so weiter.
Es ist immer wieder erstaunlich, welche Dinge im Zuge solcher
Scheidungskriege ans
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