Gewitter über Pluto: Roman
das Museum denn in der Nacht geöffnet?«
Ich lachte in der etwas blödsinnigen Art meines Alters und meinte:
»Na, vielleicht habe ich ja eine Geliebte in Solnhofen.«
»Das ist kein Grund, dort zu übernachten«, erwiderte Maritta,
wiederum in einer Weise, die suggerierte, daà ihr das Faktum einer Geliebten
tatsächlich weniger schlimm erschiene als der Umstand, einer solchen Geliebten
das Privileg der Nachtstunden zukommen zu lassen.
»Also gut«, sagte ich. »Ich werde zusehen, am Abend wieder hier zu
sein. Aber ich kannâs nicht versprechen. AuÃerdem muà ich bald nach Amerika.
Geschäftlich.«
Wenn ich dieses Wort wähle, dann weià Maritta, daà damit nicht das
»Schwäbische Bürgerblatt« gemeint ist, überhaupt nichts, was irgendwie mit
guter Laune in Zusammenhang steht. Aber sie akzeptiert, daà auch ich ein paar
Geheimnisse habe. Zum Beispiel, woher ich mein Geld nehme, um eine literarische
Zeitschrift zu finanzieren. Denn interessanterweise kann man mit derartigen
Journalen überhaupt kein Geld verdienen.
»Amerika also«, sagte sie und sank neben mich auf das Sofa. Sie kann
das groÃartig: auf eine einschmeichelnde Weise Platz nehmen. Als würde sie
diesen Platz mit ihrem schönen, runden Hinterteil ein klein wenig ersticken.
Ich umfaÃte Marittas Schulter, zog sie an mich und roch an ihr.
Natürlich waren da die Gerüche der Arztpraxis, in der sie den ganzen Tag
zugebracht hatte. Ich weià nicht, ob sie eine gute Ãrztin ist, eine beliebte
auf jeden Fall. Wie ich höre, verschreibt sie den Leuten genau das, was die
Leute verschrieben haben möchten. Die Chemiefreunde kriegen Chemie, und die
Pflanzenfreunde kriegen Pflanzen. Wer sich über winzig kleine Kügelchen freut,
bekommt eben winzig kleine Kügelchen. Es geht ja allein um die Autorität, mit
der etwas verschrieben wird, was sich ein halbwegs informierter Patient genausogut
selber verschreiben könnte. Maritta erzählt mir oft von Kranken, die derart
umfassend über die eigene Krankheit informiert seien, daà sogar sie, als die
Ãrztin, die sie ist, da nie und nimmer mithalten könne und sich gerne auch mal
beraten lieÃe.
»Hab ich dir schon gesagt, wie hübsch du bist?« fragte ich und
schnüffelte weiter an ihr.
»Gestern«, erinnerte sie. Und: »Aber man kann das natürlich jeden
Tag sagen. Wenn es stimmt, wird es dadurch nicht falsch. Und wenn du mich
anlügst, mein Liebling, schwächt sich die Lüge in der Wiederholung wenigstens
deutlich ab. â Ãbrigens habe ich mich heute auf die Waage gestellt. Schon
wieder ein Kilo mehr.«
Maritta kämpft, wie man so sagt, mit dem Gewicht. Und wie man so
sagt: Es ist ein sinnloser Kampf. Sie nimmt eben zu. Ich finde aber, es steht
ihr. Sie nimmt nur zu, was sie ohnehin zunehmen muÃ, als erfülle sie einen
Plan, ja als würde sie bloà in ein Kleid hineinwachsen, ein selbstredend
ideales Kleid. Damit kein MiÃverständnis aufkommt, ich stehe nicht auf dicke oder
gar fette Frauen. Doch der Umstand, daà Maritta mir soeben erklärt hatte, ein
wenig zugenommen zu haben, erotisierte mich. Ich sagte ihr, ich hätte Lust auf
sie.
»Das kommt davon, weil du dich den ganzen Tag mit Lyrik abgibst«,
spöttelte Maritta und wollte sodann wissen, wohin nach Amerika ich reisen
müsse.
»Mount Hood, in Oregon. Da ist so ein Berghotel, das Timberline
Lodge.«
»Kann man da im Sommer Schi fahren?« fragte sie.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Wenn man Schi fahren kann, komme ich mit.«
»Ich weià nichtâ¦Â«
»Ich störe dich schon nicht bei deinen Geschäften. Das weiÃt du.«
»Aber du kannst doch nicht so einfach Urlaub machen.«
»Das ist das mindeste, was ich kann«, erklärte Maritta, die es
durchaus versteht, einige Dinge von der leichten Seite her anzupacken. Sie
liebt dieses dumme Schifahren. Sie ist überhaupt auf eine kraftvolle Weise sehr
sportlich. Tennis, Schwimmen, Handball. Ich frage sie oft, wozu das gut sein
soll. Weil es Spaà macht, ist ihre Antwort. Das ist eine Antwort, die ich nicht
verstehe. Wieso SpaÃ? Weil es sinn- und zwecklos ist? Weil es, zumindest bei
einer Frau, Muskeln macht, wo man gar keine Muskeln haben möchte?
Maritta drückte sich sanft aus meiner Umklammerung, als gleite sie
aus einem Bademantel, erhob sich und sagte: »Mach du mal das Essen. Ich
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