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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Tabletten zu nehmen,
obwohl ich dank meiner Frau einen idealen Zugang zu Tabletten hätte. Aber ich
habe dank meiner Frau ja auch einen idealen Zugang zum Sex.
    Danach gaben wir uns einen Kuß und drehten uns zur Seite, damit
jeder in Ruhe ein paar letzten Gedanken nachhängen konnte. Es versteht sich,
daß ich an meinen Auftrag dachte und mir überlegte, daß es im Grunde gut war,
wenn Maritta mit nach Amerika kam. So konnte ich bis zum letzten Moment mir ihr
zusammen sein. Denn schließlich hatten meine Vorgesetzten in keiner Weise
erklärt, ich müsse alleine reisen. Ja, das war gut so. Wir würden Schi fahren
gehen, vergnügliche Tage verbringen, genußvolle Abende, und irgendwann würde
ich halt verschwunden sein. Wie Menschen das mitunter tun. Dort, wo Schnee
liegt, sowieso.
    Allerdings war da auch ein kleiner Zorn, der mich in meinem Schlaf
begleitete: Warum ausgerechnet Picasso?
    Am nächsten Tag stand ich wie immer vor Maritta auf und
bereitete das Frühstück. Frühstück ist noch einfacher als Nudeln, vor allem
dann, wenn man einen Eierkocher besitzt, der für einen die Minuten zählt. Die
Blumen freilich, die ich auf den Tisch stellte, waren ganz allein mein
Verdienst. Sie stammten aus meinem kleinen Garten, den ich nicht minder
vermissen werde.
    Â»Herrlich!« sagte Maritta.
    Nicht, daß sie wirklich hingesehen hatte. Aber das verlange ich auch
nicht. Ich bin ein großer Freund der Geste. Sollte ich mich entschließen, ein
Buch mit nach X zu nehmen, so wird es Adolph Freiherr von Knigges Ȇber den
Umgang mit Menschen« sein. Denn was Knigge über die Menschen sagt, das gilt für
die Leute auf X in demselben Maße. Obgleich wir dort seit langem ohne echte
Kriege auskommen, hat dies wenig am würdelosen Umgang der Individuen
untereinander geändert. Wir werfen keine Bomben, das stimmt, aber sonst …
    Kein Wunder, daß mich die Vorstellung beunruhigte, demnächst für
mindestens zwei Jahrzehnte mit vier anderen Leuten, von denen wahrscheinlich
keiner Knigge gelesen hat, in einem Raumschiff von der Größe eines
Einfamilienhauses eingesperrt zu sein.
    Nach dem Frühstück fuhr ich meine Frau in die Praxis und
machte mich sodann auf den Weg nach Solnhofen. Ich wollte mir einen ersten
Überblick verschaffen. Ich hatte Glück mit dem Wetter und auch Glück mit dem
Wagen, der sich nicht immer wie vom Hersteller versprochen verhält. Nach
dreistündiger Fahrt stand ich in dem kleinen Museum, das, in bräunlichen Tönen
gehalten, eher den Eindruck eines Fliesengeschäfts aus den Achtzigerjahren
vermittelt. Sauber und warm und ein wenig geschmacklos. Doch wie auch immer man
das sehen mag, es handelt sich um eine ganz wunderbare Sammlung, die hier
zusammengestellt wurde. Und am wunderbarsten natürlich jener Skelettfund eines
Archaeopteryx. Wobei man gut verstehen kann, daß anfänglich spekuliert worden
war, es mit einem kleinen Raubsaurier zu tun zu haben. Es ist nicht ganz
einfach, aus dieser langschwänzigen Gestalt einen Vogel herauszulesen. Aber der
Vogel steckt drin, das weiß man heute.
    Die Solnhofener präsentieren ihren Urvogel in einer
liebevoll-altbackenen Weise, eher so, wie man Juwelen und Reliquien ausstellt,
mit einer seidenen, altmeisterlich drapierten Unterlage, von der die
Gesteinsplatte mit dem Fossil hochragt und im Schutze eines kristallartigen
Glassturzes hell erleuchtet sich dem Betrachter offenbart.
    Mich bedrängte sofort ein schlechtes Gewissen, als ich vor diesem
Objekt stand, welches so viele Millionen Jahre im Plattenkalk geschlummert
hatte, um heute in einer derart respektablen Weise gezeigt zu werden. Als liege
nicht bei den Hominiden, sondern bei den Vögeln der Ursprung der Menschheit.
Und ich denke ja auch, daß nicht wenige Leute diese Vorstellung mit Beifall
kommentieren würden. Trotz aller Intelligenz, die die Menschenaffen zu besitzen
scheinen, fühlt sich der Homo sapiens eher zur Eleganz des Fliegens hingezogen
als zum Schaukeln auf Lianen. – Und ausgerechnet an mir sollte es nun sein, die
Solnhofener dieser Spur der Vergangenheit zu berauben.
    Auch wenn ich kein Mensch bin, so bin ich noch lange kein Unmensch.
    Als ich am selben Abend wieder zu Hause saß und Maritta
ihren Kopf auf meiner Schulter hatte, überlegte ich, daß ein simpler Raub nicht
in Frage kam. Mitunter ist es nämlich ein Ausdruck guten Benehmens, eine

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