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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Vernichtungswillen einhergeht.
Überlegenheitsgefühl aber ist etwas anderes. Gar keine Frage, ich fühle mich
Leuten, die ihre Kinder einsperren und ihnen eine verderbliche, noch dazu
religiös verbrämte Arroganz antrainieren, ja, ich fühle mich ihnen überlegen.
Als Bürger von Botnang wie als Außerirdischer vom Planeten X. So ist das.
    Daß ich jedoch zustach, hatte mit alledem nichts zu tun. Oder
wenigstens fast nichts. Mag schon sein, daß ich bei Yvonne oder Rebecca nicht
zugestochen hätte. Immerhin vermied ich es, den jungen Türken an Brust oder
Bauch zu treffen. Ich wählte seinen Oberarm. Was natürlich ebenso schiefgehen
kann.
    Â»Verdammt!« Er sah ungläubig auf das Blut, das aus der Wunde
strömte.
    Â»Du…!« fauchte mich der
andere Junge an.
    Ich fuhr meine freie Faust aus. Brauchte nicht einmal richtig
hinzusehen. Ich schlug ihm auf die Nase. Das ist tatsächlich das Beste, was man
tun kann, die Nase treffen. Die Nase ist weicher als das Kinn. Sie bildet
gewissermaßen den Bauch des Gesichts. Einen Spitzbauch. Der Junge fiel nach
hinten und krachte auf den schönen weißen Bauhaustisch.
    Während ich registrierte, daß der eine Türke sich den Oberarm hielt
und der andere seine Nase, bemerkte ich, wie Mick in sein Jackett griff.
    Â»Das würde ich nicht versuchen.«
    Mick stoppte in der Bewegung, sodaß es jetzt aussah, als wollte er
sich bloß ans pochende Herz fassen, stierte mich mit seinen Senfaugen an und
meinte: »Wie hätte ich wissen können, daß Sie ein Profi sind?«
    Ich erklärte ihm, daß es ja wohl das eigentliche Wesen von Profis
sei, nicht als solche daherzukommen und der ganzen Welt sternsingerartig ihr
Profidasein zu offenbaren. Dazu ergänzte ich: »Lassen Sie bitte Ihre Pistole,
wo sie ist. Es würde nichts bringen. Ich wäre flinker als Sie.«
    Das war nicht einmal gelogen. Denn immerhin hatte ich noch das
Messer des ersten Angreifers in der Hand. Von meinem eigenen, mit dem ich Nix
erledigt hatte, einmal abgesehen. – Ich bin seit jeher ein Freund der Messer.
Pistolen mag ich weniger. Pistolen sind wie Touristen. Sie sind laut. Sie sind
auffällig. Sie sind eine Gefahr. Für die Welt, aber auch für sich selbst. Die
Einfachheit einer Pistole verführt dazu, daß jeder meint, damit umgehen zu
können. Bei einem Messer ist das anders. Das Messer hat eine archaische
Qualität. Der Jäger muß lautlos sein, behende, konzentriert. Er muß haushalten
können, weil er ja nicht ständig neue Messer nachfüllen kann, wie man Magazine
nachfüllt. Haushalten ist eine gute Devise.
    Â»Außerdem«, sagte ich, »möchte ich Sie nicht verletzen. Ich brauche
Sie. Ich will meinen Stein zurück.«
    Â»Stein?«
    Â»Kein Stein, wie Sie sich das denken. Kein best
friend eines girls . Sondern ein Fossil. Er hat
für niemanden einen Wert außer für mich. – Jetzt nehmen Sie also bitte das
Telefon und geben den Damen Bescheid. Damit wir endlich ins Bett kommen.
Beziehungsweise ins Krankenhaus. Ihr Mann braucht einen Arzt.«
    Mick nickte. Er gab dem Jungen mit der demolierten Nase ein Zeichen.
Dieser rappelte sich hoch, wankte hinüber zu seinem Kollegen, drückte ihm eine
zusammengefaltete Jacke auf die Wunde, stützte ihn, und zusammen verließen sie
den Raum. Arme Schweine. Prädestiniert fürs Gefängnis, während einer wie Mick
stets an der Justiz, wie an den Niederlagen im Schach, vorbeilaviert.
    Mick, der Lavierer, nahm sein Handy und begann zu telefonieren. Ich
sagte ihm, ich würde draußen im Lokal warten, und wechselte wieder an die Bar,
wo noch immer der Mann stand, der mich bedient hatte.
    Â»Vielleicht einen Whisky?« fragte er.
    Nach einer solchen Nacht mochte ein kleiner Schluck kein Fehler
sein. Ich nickte also. Der Barkeeper füllte ein Glas und stellte es mit einer
leichten Verbeugung vor mich hin. – Wären nur alle Leute…
    Eine Viertelstunde später stand Yvonne vor mir. Ich hatte sie zuerst
gar nicht erkannt. Ohne ihre schwarzen Strümpfe, mächtigen Wimpern und roten
Haare. Sie trug ein fleckiges T-Shirt, und ihr Haar war blond und dünn und
deprimierend. Sie betrachtete mich vorwurfsvoll und legte die Tüte mit dem
Stein auf die Theke. Dann wollte sie gehen.
    Â»Sind Sie mit dem Auto hier?« fragte ich.
    Sie wandte sich um und lugte über einen unsichtbaren Brillenrand.
    Ich

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