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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Robert Byrne als Sieger
hervorgegangen war.
    Â»Sie flüchten doch nicht etwa?« fragte ich Mick, der bereits im
Gehen begriffen war.
    Â»Wenn Sie mich mal flüchten sehen, alter Mann, wird Wien nicht mehr
lange stehen. Und Wien steht sicher ewig.«
    Ja, für ihn mochte ich ein alter Mann sein. Na gut, ich ließ ihm
seinen Willen. Ich rege mich nur auf, wenn es auch lohnt, sich aufzuregen.
    Doch gleich darauf gab es genau dafür ausreichend Grund. Nachdem ich
nämlich die Schachfiguren vom Feld genommen und sie im Innenraum des Bretts
verstaut hatte, erhob ich mich, um zur Theke zu wechseln und den Kaffee und
Sekt zu bezahlen. Ich beugte mich hinunter zur Lederbank und wollte die
Plastiktüte mit dem Archaeopteryx fassen. Aber da gab es nichts zu fassen. Die
Bank war vollkommen leer.
    Â»Was soll das?« fuhr ich hoch. Ich sah hinüber zu dem Tisch mit den
drei Grazien. Mist, die Frauen waren verschwunden. Überhaupt schien ich der
letzte Gast zu sein. Nur noch der Barkeeper stand ruhig und hoheitsvoll hinter
seinem Tresen.
    Â»Wo sind die verdammten Weiber?«
    Eigentlich gehört der Ausdruck »Weiber« nicht zu meinem Vokabular,
und wenn, dann nur als Zitat. Doch ich war jetzt wirklich sauer. Für dieses
Fossil hatte ich Stunden zuvor einen Mann umgebracht. Und jetzt ließ ich mir
das Ding von irgendeiner Hure praktisch unterm Hintern wegklauen.
    Â»Also?« Ich sah den Barkeeper eindringlich an.
    Â»Die Damen haben jetzt Feierabend«, erklärte der Mann im Smoking.
    Â»Dann bringen Sie mich zu Herrn Mick. Der hat ja wohl hier irgendwo
sein Büro, oder?«
    Â»In der Tat. Aber ich denke nicht, daß er jetzt…er
hat geschäftlich zu tun, wie er bereits, glaube ich, Ihnen gegenüber angedeutet
hat.«
    Â»Da werden die Geschäfte kurz ruhen müssen«, machte ich klar. Und:
»Ich habe mit Mick zu sprechen. Sagen Sie ihm, daß das jetzt kein Schachspiel
mehr ist.«
    Â»Gut. Wenn Sie darauf bestehen.«
    Â»Das tue ich ganz sicher.«

14  |  In einer Welt der
Pistolen auf die Messer hören
    Eine Minute später stand ich in einem kleinen
Hinterzimmer. Wobei ich ein wenig überrascht war ob der geschmackvollen Einrichtung.
Nirgends Velours, nirgends Symbole der Zuhälterei. Kein Koks auf dem Glastisch,
überhaupt kein Glastisch, sondern weißes Holz. Klare, einfache Formen. Mick saß
auf irgendeinem Klassiker der Moderne. Hinter ihm standen die beiden jungen
Männer, die zuvor an der Bar gewesen waren. Nervöse Kinder, dachte ich mir.
Natürlich wären mir die drei Grazien lieber gewesen.
    Â»Sie waren drauf und dran, die Partie zu verlieren, das wissen Sie«,
erinnerte ich Mick an seine uneingestandene Flucht.
    Â»Um das zu sagen, stören Sie?«
    Â»Ihre drei Schönheiten haben mich bestohlen. Es geht um die
Plastiktüte, die neben mir auf der Bank lag. Für mich hat der Inhalt einen
großen Wert, für diese Damen nicht. Ich glaube kaum, daß die drei überhaupt
wissen, was das ist, was sie da entwendet haben.«
    Â»Hören Sie, mein Guter, ich bin weder vom Raubdezernat noch der
persönliche Moralapostel von Gina, Yvonne und Rebecca – welche übrigens nicht
meine Angestellten sind, sondern freie Mitarbeiterinnen.«
    Â»Ja, ja, ich weiß schon. Das hier ist ein Architekturbüro. Trotzdem,
Herr Mick, ich muß Sie bitten, die drei anzurufen. Ich will meinen Besitz
zurück. Nicht morgen, nicht in einer Stunde, sondern sofort.«
    Â»Und was, wenn nicht? Werden Sie dann ungemütlich?« Mick lachte.
Offenkundig war er sehr viel weniger klug und hellsichtig, als man angesichts
seiner Erzählung ob eines in die Zukunft geflüchteten Schriftstellers hätte
annehmen können. Er schien mich allen Ernstes für ein … wie sagt man in Wien? …
für ein Würschtl zu halten. Als würden Würschtl es
wagen, die Hinterzimmer von Zuhältern zu betreten. Er hätte sich eigentlich
denken können, daß ich wußte, was ich tat.
    Â»Ich würde es wirklich bevorzugen«, erklärte ich, meine Worte mit
dem Ton echter Müdigkeit ausstattend, »wenn wir dieses kleine Problem friedlich
aus der Welt schaffen könnten. Darum schlage ich vor, ich setze mich jetzt
wieder an die Bar, bestelle einen Kaffee, und in einer Viertelstunde kommt
jemand und bringt mir, was mir gehört. Eine Viertelstunde ist realistisch. Die
Damen schlafen sicher noch

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