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Gewitterstille - Kriminalroman

Gewitterstille - Kriminalroman

Titel: Gewitterstille - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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worden waren, ohne dass ein Arzt dies je erkannt hatte. Eine Obduktion wurde natürlich nur dann angeordnet, wenn Zweifel an einer natürlichen Todesursache vorlagen. Wer zweifelte bei alten und zudem häufig gesundheitlich schwer angeschlagenen Menschen schon an einem Herzversagen? Auch im vorliegenden Fall hatten für den Hausarzt keinerlei Anzeichen für ein Verbrechen bestanden. Es gehörte für ihn einfach zur Berufsroutine, sich mit dem Tod älterer Menschen auseinanderzusetzen.
    »Ich lass dich jetzt mal wieder mit deinen Leichen allein«, entschied Braun und verabschiedete sich. »Du warst mir wie immer eine große Hilfe.«
    »Habt ihr ihn schon?«, wollte Fischer wissen.
    »Nein«, antwortete Braun im Gehen und winkte seinem alten Freund über die Schulter zu, ohne sich noch einmal umzudrehen, »aber wir werden ihn kriegen.«

15. Kapitel
    E r konnte sich nicht erinnern, wann ein Sommer zu letzt so heiß gewesen war. Die Alten litten besonders unter den hohen Temperaturen, die ihren Kreislauf belasteten und sie bei jedem Schritt stöhnen und ächzen ließen. Er empfand Mitgefühl für all jene, die brav in einer Ein richtung wie dieser ausharrten, um dort geduldig das eigene Ende abzuwarten. Auf Anregung der Heimleitung waren auf den Fensterbänken Duftkissen ausgelegt worden, deren süßlicher Geruch sich auf penetrante Weise mit dem des Desinfektionsmittels und des Urins verband und ihm unangenehm in die Nase kroch.
    Er atmete tief durch und streckte die Glieder, als er endlich auf den Flur hinaustreten konnte. In der kleinen Kammer, in der er sich während der letzten Stunden die Zeit mit ein paar alten herumliegenden Zeitschriften vertrieben hatte, war es heiß wie in einem Brutkasten gewesen. Endlich war es still geworden, und die überwiegende Zahl der Angestellten hatte das Haus inzwischen verlassen. Er öffnete den Schlüsselkasten im Personalraum und nahm vorsichtig den Notschlüssel heraus, bevor er den Kasten sorgfältig wieder verschloss und in das zweite Stockwerk hinaufhuschte. Der Flur war nur schwach beleuchtet. Am Zimmer angekommen, presste er sein Ohr an die Tür und lauschte angespannt, bevor er den Notschlüssel aus der Tasche zog, aufschloss, die Tür nahezu lautlos aufschob und in den Raum schlich. Er verharrte einen Moment, nachdem er die Tür von innen wieder geschlossen hatte. Seine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit. Lediglich eine kleine Tiffanylampe, die auf einem altmodischen Sekretär in der Ecke stand, spendete ein wenig Licht.
    Die Frau lag auf dem Rücken und gab in unregelmäßigen Abständen geräuschvolle Schnarchlaute von sich. Er näherte sich ihrem Krankenbett auf Zehenspitzen. Das weiße Bettgestell wirkte selbst im Dunkeln zwischen den dunklen Mahagonimöbeln und Perserteppichen wie ein Fremdkörper.
    Er heftete seinen Blick auf das runzlige Gesicht und spürte, wie sein Herz pochte, während seine Finger sich auf der Suche nach dem Schlüssel für den Sekretär unter dem Kopfkissen entlangtasteten. Irgendwo musste das verdammte Ding zu finden sein! Er wünschte sich ein wenig mehr Licht, während seine suchenden Hände fast ihr schütteres Haar berührten. Ihr Atem roch unangenehm sauer, und ihre Wangen waren eingefallen. Ihre Zeit schien längst gekommen. Auch sie brauchte ihr Geld definitiv nicht mehr. Er redete sich sogar ein, dass sie am Ende froh sein konnte, wenn ihr Geld nicht ihren verhassten Kindern zukäme, von denen sie so oft enttäuscht worden war. Das hatte sie ihm selbst anvertraut. Als er auf einen kalten Gegenstand stieß, jubelte er innerlich. Bingo! Er würde einiges darauf verwetten, dass sich im Sekretär ein Batzen Bargeld befand. Denn sie hatte, auch als sie noch zu Hause lebte, immer eine Menge Bargeld im Schrank verwahrt. Mit etwas Glück würde er einige Hundert Euro finden, die sich mühelos vervielfachen ließen. Bereits jetzt kribbelten seine Finger in der Erwartung des nächsten Spiels. Diesmal würde er gewinnen, und zwar schon morgen, das spürte er. Der Sieg schien ihm sicher. Schon die Nachtluft roch danach. Ein schepperndes Geräusch ließ ihn plötzlich erschrocken zusammenzucken. Er versuchte sich zu orientieren und stellte fest, dass ein Gegenstand von der Bettdecke herunter- und direkt vor seine Füße gefallen war. Für einen kurzen Moment blickte er bewegungslos auf das schwarze Etwas, das er an dessen Umrissen als Brillenetui erkannte. Er hob seinen Blick und fuhr zusammen, als der Oberkörper der Frau wie

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