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Gewitterstille - Kriminalroman

Gewitterstille - Kriminalroman

Titel: Gewitterstille - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Hausstand in ihre Wohnung verschleppte – eine Angewohnheit, die sie zunehmend störte.
    »Wo ist bitte schon wieder mein Nageletui?«, fragte sie die kleine Emily, während sie ihre barfüßige Tochter behutsam auf dem Fußboden des Badezimmers abstellte, was diese sofort nutzte, um die Badewanne anzusteuern.
    »Na, das könnte dir so passen«, bremste Anna ihre kleine Tochter lachend und nahm sie wieder hoch.
    Anna hätte sich unter normalen Umständen niemals erlaubt, in Sophies persönlichen Dingen herumzukramen. Die Tatsache, dass sie sich beim Spielen mit Emily einen ihrer Nägel tief eingerissen hatte, rechtfertigte ihrer Meinung nach jedoch ihr Vorhaben. Sie öffnete den Schrank unterhalb des Waschbeckens und fühlte sich von der hier herrschenden Unordnung geradezu erschlagen. Das Etui suchte sie zwar vergebens, fand aber immerhin eine ihrer Küchenschüsseln, die Sophie sich vor geraumer Zeit bei ihr ausgeliehen und deren Rückgabe sie überzeugend beschworen hatte.
    Anna schüttelte den Kopf und schloss den Schrank wieder.
    »Guck dir das gar nicht erst ab«, mahnte sie Emily, wohl wissend, dass sie selbst als Teenager nicht einen Deut besser gewesen war. Sie ging mit Emily in Sophies kombiniertes Wohn- / Schlafzimmer hinüber und ließ ihren su chenden Blick über den Wohnzimmertisch, das kleine beige Sofa, das ungemachte Bett und den mit Büchern und Schachteln überhäuften Nachttisch gleiten.
    Nicht zu fassen, dachte sie und hob einen Schal vom Fußboden auf, den sie ebenfalls als ihren erkannte. Sie hatte nichts dagegen, dass Sophie sich ihre Sachen auslieh, war aber der Meinung, dass sie damit durchaus sorgfältiger umgehen könnte.
    Den Nachtschrank mochte Anna nicht durchsuchen, weshalb sie sich entschloss, in der behindertengerecht angebrachten Küchenzeile weiterzumachen. Wenn sie schon ihre Küchenschüsseln in Sophies Bad entdeckte, sprach eine gewisse Logik dafür, dass ihr Nageletui hier zu finden sein könnte.
    Anna öffnete den linken Küchenunterschrank, aus dem ihr zu Emilys Freude mit lautem Krachen die Topfdeckel entgegenpurzelten. Emily stieß einen Juchzer aus, als ihre Mutter sie wieder auf dem Boden absetzte, und klatschte in die Hände, bevor sie sich selbst daranmachte, zwei der Deckel gegeneinanderzuschlagen.
    »Dieses Chaos ist ja unglaublich.« Anna zog die weiter hinten deponierten Töpfe ebenfalls heraus, um wenigstens ein Minimum an Ordnung zu schaffen. »Was, zum Teufel, ist das?«, murmelte sie, als ihre Hand auf eine glatte Oberfläche stieß. Vorsichtig holte sie ein Teil nach dem anderen heraus und stellte es auf den Tresen. Sie blickte einen Moment lang sprachlos auf das, was sie zutage gefördert hatte, und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Es handelte sich um zwei filigrane Vogelfiguren aus Porzellan. Sie zögerte einen Moment, bevor sie eine der Figuren umdrehte, um die Unterseite zu betrachten. Ein dumpfes Hämmern breitete sich in Annas Kopf aus. Sie hielt Meissener Porzellan in ihren Händen.
    Sophie hatte sich in ihrem Leben noch nie so glücklich gefühlt. Sie lag in der kleinen halbdunklen Schlafkoje, dicht an Jens ’ Brust geschmiegt, und hörte dem Plätschern der Wellen zu, die sanft gegen die Unterseite des Bootes schlugen. Es war bereits Nacht. Die Betriebsamkeit des frühen Abends, als viele Boote in den Hafen eingelaufen waren, hatte sich inzwischen gelegt. Die meisten Eigner hatten ihre Schiffe verlassen oder schliefen bereits. Auch Sophie fühlte sich schläfrig und ließ sich von dem leichten Schaukeln des Schiffes einlullen. Es war, als formten die Wellen eine friedliche Melodie, die eins wurde mit dem Klirren der Schiffsfahnen und dem Klang von Jens’ rhythmischem Atem. Die Dehler 36, auf der sie sich befanden, lag am Priwallhafen nicht weit von der imposanten Passat entfernt, deren vier Meter hohe Masten ihr Schiff weit überragten und es beinahe wie ein Spielzeug aussehen ließen. Das Schiff gehörte einem Patienten, den Jens nach einem schwe ren Schlaganfall betreut hatte. Der Mann hatte Jens den Zweitschlüssel ursprünglich überlassen, damit ab und zu jemand auf dem Boot nach dem Rechten sah. Als Gegenleistung hatte Jens damit fahren dürfen. Sophie ging davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit war, bevor die Kripo auf diesen Mann stoßen und das Boot unter die Lupe nehmen würde, nachdem Jens untergetaucht war. Für den Moment war es aber der einzige Zufluchtsort, der ihnen blieb. Sophie strich zärtlich über die weiche, salzig

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