Gezaehmt im Bett einer Lady
trat vor. Vawtry schlüpfte aus seinem Rock, während sie ihr Oberteil zusammenhielt, damit es nicht vollends nach unten rutschte, und vom Sarkophag sprang. Den Rock in der Hand eilte er zu ihr.
„Ich habe es versucht“, sagte er unglücklich und mit taktvoll abgewandtem Blick, während sie sich in seinen Rock wickelte. „Ich habe ihnen gesagt, Dain sei allein wieder gegangen und Sie seien Ihre Großmutter suchen gegangen, aber einer der Diener hatte Sie in den Wintergarten gehen sehen ...“ Er machte eine Pause. „Es tut mir leid.“
„Ich würde das Anwesen gerne diskret verlassen“, erwiderte sie mit ausdrucksloser Stimme. „Wären Sie bitte so freundlich, Lady Pembury suchen zu gehen?“
„Ich hasse es, Sie allein zu lassen.“, sagte er.
„Ich werde nicht ohnmächtig werden“, sagte sie. „Ich gebe mich keinen hysterischen Anfällen hin. Ich werde es unbeschadet verkraften.“
Er schaute sie besorgt an, dann entfernte er sich.
Sobald er verschwunden war, legte Jessica seinen Rock ab und brachte ihr Kleid, so gut es ohne ihre Zofe ging, wieder in Ordnung. Sie kam nicht an alle Verschlüsse heran, denn die meisten befanden sich am Rücken, aber sie fand genug, um das Oberteil so weit zu verschließen, dass es ihr nicht herunterrutschte. Während sie mit den Häkchen und Bändern kämpfte, betrachtete sie ihre Lage mit brutaler Objektivität.
Sie wusste, es kam überhaupt nicht darauf an, dass Dain sie nicht wirklich verführt hatte. Was zählte war, dass es Dain gewesen war, mit dem sie erwischt worden war. Das war genug, um sie in den Augen der Welt zu ruinieren.
In weniger als vierundzwanzig Stunden würde die Geschichte jeden Winkel von Paris erreicht haben. Binnen einer Woche wäre sie in London angelangt. Sie konnte gut genug erkennen, was die Zukunft für sie bereithielt.
Kein Gentleman mit auch nur einem Funken Selbstachtung würde seinen Familiennamen beschmutzen, indem er heiratete, was Dain übrig gelassen hatte. Hiernach, das wusste sie, hätte sie keinen Hauch einer Chance, die reichen angesehenen Mitglieder der guten Gesellschaft in ihren Laden zu locken, auf die sie und ihr Geschäft angewiesen waren. Damen würden ihre Röcke zurückziehen, damit sie ihre nicht streiften, wenn sie an ihnen vorüberging, oder gar die Straßenseite wechseln, als habe sie eine ansteckende Krankheit. Und die Gentlemen würden aufhören, Gentlemen zu sein, und sie den gleichen Erniedrigungen aussetzen, die sie Straßendirnen zumuteten.
Mit wenigen Worten hatte Dain im Grunde genommen ihr Leben zerstört. In voller Absicht.
Alles, was er hätte tun müssen, wäre, einen seiner tödlichen Blicke über die Versammelten schweifen zu lassen und ihnen mitzuteilen, dass sie nichts gesehen hatten. Und sie hätten gewiss beschlossen, dass es am gesündesten sei, ihm zuzustimmen. Alle Welt fürchtete ihn, selbst seine sogenannten Freunde. Er konnte sie alle dazu bringen, zu tun, zu sagen und zu glauben, was er wollte.
Aber alles, was er wollte, war Rache gewesen - für was auch immer sie in seiner verdrehten Logik sich ihm gegenüber hatte zuschulden kommen lassen. Er hatte sie in diesen Garten gebracht - mit keinem anderen Ziel im Sinn. Sie konnte auch nicht restlos ausschließen, dass er irgendwem gegenüber vorab eine Andeutung gemacht hatte, um sicherzugehen, dass die Entdeckung zu dem peinlichsten Augenblick stattfand: ihr Oberteil geöffnet und bis zur Taille offen stehend, seine Zunge tief in ihrer Kehle und seine schmutzigen Hände unter ihren Röcken.
Obwohl ihr Gesicht ganz heiß wurde bei der Erinnerung, weigerte sie sich, Scham zu empfinden über das, was sie getan hatte, Ihr Verhalten galt vielleicht in den Augen der Gesellschaft als unzüchtig und fehlgeleitet in ihren eigenen, aber es war nicht schlecht oder böse. Sie war eine gesunde junge Frau, die schlicht Gefühlen nachgegeben hatte, denen zahllose andere Frauen ebenfalls nachgaben - und das auch ungestraft konnten, wenn sie verheiratet oder verwitwet waren und dabei Diskretion walten ließen.
Obwohl sie weder verheiratet noch verwitwet war und nach normalen Regeln für ihn verboten gewesen wäre, konnte sie Dain in aller Fairness keinen Vorwurf daraus machen, dass er sich genommen hatte, was sie ihm so bereitwillig angeboten hatte.
Aber sie konnte und wollte ihm die Schuld daran geben, dass er sich geweigert hatte, sich schützend vor sie zu stellen. Er hatte nichts zu verlieren, während für sie alles auf dem Spiel stand. Er hätte
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