Gezaehmt im Bett einer Lady
ihr helfen können. Es hätte ihn nichts gekostet, keine große Mühe. Stattdessen hatte er sie beleidigt und im Stich gelassen.
Und das, entschied sie, war es, wofür er zahlen würde.
Um halb fünf am Morgen hielt Dain Hof bei Antoine, einem Restaurant im Palais Royal. Die Zahl seiner Begleiter hatte sich mittlerweile um eine Handvoll Gäste von Lady Wallingdon erweitert: Sellowby, Goodridge, Vawtry und Esmond. Das Thema Jessica Trent wurde gewissenhaft gemieden. Stattdessen war die Schlägerei im Kartenzimmer, die Dain verpasst hatte - zwischen einem betrunkenen preußischen Offizier und einem französischen Republikaner -und das darauffolgende Durcheinander in allen Einzelheiten und ausführlich besprochen worden.
Selbst die Dirnen fühlten sich genötigt, ihre Meinung zu äußern, die eine auf Dains rechtem Knie stellte sich auf die Seite des Republikaners, während die andere auf dem linken sich mit dem Preußen einer Meinung erklärte. Beide argumentierten mit einem Grad von Unwissenheit - sowohl grammatikalisch als auch politisch -, dass neben ihnen Bertie Trent wie ein Intellektueller ausgesehen hätte.
Dain wünschte nur, er hätte nicht an Trent gedacht. Sobald das Bild des Bruders vor seinem geistigen Auge auftauchte, erschien auch das seiner Schwester: Jessica, wie sie ihm unter der Krempe eines überfrachteten Hutes in die Augen blickte ... ihm ins Gesicht sah, während er ihr den Handschuh aufknöpfte ... ihn mit ihrem Hut und ihrer schmalen Faust schlug ... ihn küsste, während Blitze zuckten und Donner dröhnte ... mit ihm über die Tanzfläche wirbelte, ! ihre Röcke gegen seine Beine schlugen, ihr Gesicht vor Aufregung glühte. Und später, in seinen Armen ... ein Feuersturm aus Bildern, Gefühlen und einem Moment süßer Qual... als sie seine große hassenswerte Nase küsste ... und ihm dabei das Herz in kleine Stücke geschnitten hatte, nur um es gleich darauf wieder zusammenzusetzen und ihn glauben zu lassen, dass er für sie kein Ungeheuer war. Sie hatte ihn glauben lassen, dass er schön sei.
Lügen, sagte er sich.
Das waren alles Lügen und Tricks, um ihn in die Falle zu locken. Er hatte ihren Bruder ruiniert. Ihr war nichts mehr geblieben. Daher war Jessica Trent wie Susannah, deren Bruder das Familienvermögen verspielt hatte, verzweifelt genug, die älteste Falle in der Weltgeschichte zu stellen, um sich einen reichen adeligen Ehemann zu angeln.
Doch jetzt ertappte Dain sich dabei, wie er die ihn umgebenden Männer betrachtete. Alle sahen deutlich besser aus, benahmen sich besser und waren insgesamt eine deutlich bessere Partie.
Sein Blick verweilte auf Esmond, der neben ihm saß und der schönste Mann von drei Kontinenten war und zudem wahrscheinlich - wobei das niemand sicher wusste - sogar noch reicher als der Marquess of Dain.
Warum also nicht Esmond? fragte Dain sich. Wenn sie einen reichen Gatten brauchte, warum sollte eine blitzgescheite Frau wie Jessica Trent den Beelzebub statt den Erzengel Gabriel erwählen, die Hölle statt des Himmels?
Esmonds Blick aus blauen Augen traf seinen. „Amore e cieco“, murmelte er mit perfektem Florentiner Akzent.
Liebe ist blind.
Dain erinnerte sich daran, dass Esmond ihm vor ein paar Wochen von einem „schlechten Gefühl“ bezüglich des Vingt-Huit erzählte hatte, und dachte wieder an die Ereignisse, die sich unmittelbar darauf zugetragen hatten. Wenn er ihn jetzt ansah, hatte Dain selbst ein ungutes Gefühl: dass der engelsgleiche Graf seine Gedanken las, so wie er Zeichen zu dem inzwischen geschlossenen Sündenpalast gelesen hatte, die von allen anderen übersehen worden waren.
Dain öffnete gerade den Mund, um darauf eine vernichtende Antwort zu geben, als Esmond sich versteifte und seinen Kopf leicht wandte, sein Blick auf etwas fiel, während sein Lächeln verblasste.
Dain schaute ebenfalls in die Richtung - zur Tür -, aber zuerst konnte er nichts sehen, weil Sellowby sich vorbeugte, um sich sein Glas nachzufüllen.
Dann lehnte sich Sellowby wieder zurück.
Und dann sah Dain sie.
Sie trug ein dunkelrotes Kleid, bis zum Hals zugeknöpft, und einen schwarzen Schal wie eine Mantilla über den Kopf und die Schultern geworfen. Ihr Gesicht war weiß und hart. Sie schritt zu dem großen Tisch, das Kinn gereckt, die Silberaugen blitzend, und blieb ein paar Schritt davor stehen.
Sein Herz klopfte wild, pochte in hektischem Galopp, der es ihm unmöglich machte zu atmen, geschweige denn zu sprechen.
Ihr Blick zuckte über seine
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