Gezähmt von sanfter Hand
beschäftigt, dass sie diese eine Sache, dieses eine Wesen, das der eigentliche Mittelpunkt ihres Fühlens und Denkens hätte sein sollen, darüber völlig vergessen hatte. Wenn sie also noch irgendeinen Beweis dafür brauchte, wie vollkommen besessen sie von Richard war, wie vollkommen er alles andere in ihrem Leben in den Hintergrund zurückdrängte – so hatte sie ihn jetzt.
Catriona fiel beim besten Willen keine Erwiderung auf Richards Bemerkung ein und daher ließ sie sie einfach unbeantwortet verhallen. Langsam zog sie ihre Glieder unter den seinen hervor und drehte sich auf die andere Seite, fort von Richard.
Nur um sogleich von einer niederschmetternden Trostlosigkeit überwältigt zu werden, einem bis ins Innerste empfundenen Gefühl des Verlusts. Sie waren betrogen worden. Ein Augenblick, der etwas so Besonderes hätte sein sollen, so freudig und beglückend und so voller Liebe, war stattdessen schal geworden – schal vor Schmerz, vor Bitterkeit.
Catriona schloss die Augen und versuchte zu schlafen; und Richard neben ihr tat das Gleiche.
Die schmerzliche Ernüchterung folgte ihnen bis in ihre kummervollen Träume.
Klar und freundlich zog der neue Morgen herauf; die letzten Wolkenfetzen von einer kühlen Brise über den blassblauen Himmel getrieben – ein Morgen, der strahlend den Beginn einer neuen Jahreszeit versprach. Perfekt, um eine Reise zu unternehmen.
Catriona stand auf der obersten Stufe der Treppe, die zum Haupteingang des Gutshauses hinaufführte, und versuchte, die frühlingshaften Vorzeichen, die sie von dort aus beobachtete, mit der Schwere in ihrem Herzen zu vereinbaren.
Normalerweise wäre sie an diesem Morgen wieder zum Beten gegangen, aber dann hatte sie es sich doch anders überlegt. Es war das erste Mal in Catrionas Leben, dass sie einer anderen Sache einen höheren Stellenwert einräumte als ihrer Hingabe an Die Herrin. Doch diesen letzten Blick auf Richard konnte sie sich einfach nicht versagen. Denn dieser letzte Augenblick würde nun für eine lange Zeit ausreichen müssen, vielleicht für Monate. Oder gar, bis ihr Kind geboren war. Womöglich sogar noch länger.
Eifrig damit beschäftigt, die letzten von Richards Schrankkoffern auf dem Dach der Kutsche zu verstauen, huschten Catrionas Bedienstete vor ihr hin und her – einige Sachen jedoch hatte er hier gelassen. Und obwohl Catriona es zwar niemals eingestehen würde, war sie ihm dafür doch unendlich dankbar. Denn in den nun folgenden Monaten würden diese paar Habseligkeiten, diese Überbleibsel, ihre einzige noch bestehende Verbindung zu Richard darstellen.
Catriona versuchte, die prickelnde Hitze hinter ihren Lidern durch ein rasches Blinzeln zu verdrängen. Sie beobachtete, wie Richards Pferde – die beiden prachtvollen Grauschimmel – in den Hof geführt wurden. Mit geradezu unschuldigem Eifer trafen Catrionas Leute die letzten Vorbereitungen für die Reise – der unterschwelligen Stimmung an diesem Tage waren sie sich nicht bewusst. Genau genommen aber gehörten sie ohnehin nicht zu der Sorte Menschen, die solche Feinheiten überhaupt wahrnahmen. Sie nahmen ganz einfach an, dass alles genau so war, wie es sein sollte. Ihr Vertrauen in Die Herrin – und in Catriona – war grenzenlos. Das einzige Mitglied ihres Haushalts, das ebenfalls etwas derangiert wirkte – so notierte Catriona im Geiste –, war Worboys. Sie beobachtete sein langes Gesicht, fragte sich, was wohl in ihm vorgehen mochte, kam jedoch letztlich zu keinerlei Ergebnis.
Nun erschien Richard. Er kam aus Richtung der Ställe, wo er sich von Donnervogel verabschiedet hatte. Mit um seine blank geputzten Schaftstiefel wehenden Rockschößen schritt er über den Hof. Er war, wie immer, makellos gekleidet. Dann blieb er kurz stehen, um den Pferdeknechten, die gerade seine Grauschimmel anschirrten, noch einige Anweisungen zu erteilen. Voller Sehnsucht nahm Catriona Richards Anblick in sich auf.
Sog geradezu den leicht gelangweilten, ein wenig distanzierten Ausdruck seines Gesichts in sich auf; vergegenwärtigte sich ein letztes Mal jene Ausstrahlung ungezwungener Überlegenheit, die so untrennbar mit Richard verbunden war wie kaum eine andere Eigenschaft.
Schließlich wandte Richard sich um und erblickte Catriona: Er zögerte einen kurzen Augenblick, kam dann jedoch auf sie zu.
Catriona konnte sich gar nicht an ihm satt sehen. Für sie war er einfach atemberaubend – der faszinierendste Mann, dem sie jemals begegnet war.
Zugleich aber erschien
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