Gezähmt von sanfter Hand
früh.«
»Ah.« Richard wandte sich zu Henderson um, der in der offenen Tür stand. »Bitte holt McAlvie her, Henderson.«
»Sehr wohl, Sir.«
McAlvie musste wohl schon irgendwo in der Nähe gewartet haben, denn er kehrte mit Henderson zurück, bevor das angespannte Schweigen im Büro unerträglich zu werden drohte.
»Ah, McAlvie.« Richard lächelte dem Herdenaufseher freundlich zu. »Vermissen wir heute Morgen irgendwelche Tiere?«
McAlvie schüttelte seinen zottigen Kopf. »Nein, Sir.«
»Woher wollt Ihr das denn so genau wissen?«, fuhr Sir Olwyn verächtlich auf. »Die Herde des Tals streift doch ständig umher, besonders im Winter.«
»Mag ja sein, dass sie das früher so gemacht haben«, erwiderte McAlvie, »all die Male, als wir für Eure zertrampelten Kohlköpfe bezahlt haben. Ja, und für Euren Mais. Aber jetzt nicht mehr.«
Sir Olwyn starrte den Herdenaufseher finster an. »Was soll das heißen – jetzt nicht mehr?«
»Genau das, Sir Olwyn.« Richard fing Sir Olwyns Blick auf und hielt ihn bewusst fest. »Jetzt nicht mehr.« Dann lächelte er. »Wir haben ein neues System eingeführt, um unser Vieh besser über den Winter zu bringen und auch besser unter Kontrolle zu halten. Wir haben einen neuen Stallkomplex gebaut – die gesamte Herde ist dort schon seit vor dem letzten Schneefall untergebracht. Falls also irgendwelche Tiere ausgerissen wären und nun unbeaufsichtigt draußen herumliefen, würde man das auf Anhieb an den Hufspuren im Schnee erkennen können. Es sind aber keine Tiere ausgerissen.« Richard lächelte abermals. »Und es gibt keine Hufspuren. Wenn Ihr mit McAlvie gehen möchtet, wird er sicherlich gerne gemeinsam mit Euch die Herde durchzählen und Euch herumführen, um Euch unsere neue Anlage zu zeigen.«
Sir Olwyn glotzte nur stumm.
»Um jedoch noch einmal auf Eure Beschwerde zurückzukommen«, fuhr Richard fort, »ich fürchte, wenn Eure Kohlpflanzen von umherwanderndem Vieh zerstört wurden, dann müssen es diesmal wirklich Eure eigenen Tiere gewesen sein.«
Sir Olwyns innerer Kampf zeichnete sich deutlich erkennbar auf der Oberfläche ab – sein Gesicht war fleckig, auf seiner Stirn traten dicke Adern hervor. Es gelang ihm zwar, seinen Zorn im Zaum zu halten, aber nur mit knapper Not. Beinahe sichtbar vor Wut schäumend machte er auf dem Absatz kehrt, riss Henderson seinen Hut aus der Hand und machte Anstalten, ihn sich auf den Kopf zu stülpen, erinnerte sich dann aber gerade noch rechtzeitig daran, sich mit einem flüchtigen Nicken von Catriona zu verabschieden. Dann zwang er sich, Richard stocksteif zuzunicken. »Verzeihung!«, knurrte er. Damit stampfte er aus dem Raum.
Henderson eilte ihm nach, um die Vordertür zu öffnen und wieder hinter ihm zu schließen. Als er anschließend wieder ins Büro zurückkehrte, erklärte er brüsk: »Also, da kann ich nur sagen – ein Glück, dass wir den los sind!«
Die anderen bogen sich nur vor Lachen, unfähig, ein Wort hervorzubringen.
An diesem Abend erschien Catriona schon ziemlich früh im Speisesaal. Sie glitt auf ihren Platz am Haupttisch und schaute dann zu, wie die Mitglieder ihres Haushalts – ihre Leute – nach und nach hereinkamen und ihre Plätze einnahmen, lachend und miteinander schwatzend, ihre Gesichter strahlend und vergnügt.
Das Gutshaus war immer ein ruhiger, friedlicher Ort gewesen, ein Ort der Geborgenheit und der Stabilität; Catriona war an die Atmosphäre ruhiger Gelassenheit gewöhnt, die stets wie eine tröstliche Decke über diesem Raum gelegen hatte. Die Gelassenheit war auch jetzt noch da, war noch immer deutlich spürbar, doch in letzter Zeit war noch ein anderes Element hinzugekommen – ein gewisser Elan, eine ausgeprägte Freude am Leben, eine erwartungsvolle, zuversichtliche Neugier, zu sehen, was die Zukunft wohl alles bereithielt.
Es war ganz eindeutig eine männliche Eigenschaft, die etwas mit Selbstsicherheit und Stärke, mit Erfahrung und mit purer Energie zu tun hatte. Manchmal schien sie vor primitiver Vitalität geradezu Funken zu sprühen. Für Catrionas geschärftes, hochsensibles Empfindungsvermögen vermischte und verband sich diese neue Kraft mit der ruhigen Gelassenheit – die in erster Linie ihr Beitrag war; das Ergebnis war eine Hausgemeinschaft, in der mehr Fröhlichkeit herrschte, eine Hausgemeinschaft, die in ihrer Ruhe und Abgeschiedenheit eindeutig noch glücklicher und zufriedener war als zuvor.
Catriona wusste auch, von wem diese neue Kraft, dieser so überaus
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