Gezähmt von sanfter Hand
stand an
der Schwelle zu weitaus mehr als einem Zimmer. Indem sie diese Tür öffnete und hineintrat, würde sie einen nie wieder rückgängig zu machenden Schritt in eine Zukunft wagen, von der sie nur ein sehr vages Bild hatte.
Niemals zuvor hatte sie sich einer solch wichtigen, lebensverändernden Entscheidung gegenübergesehen.
Sie zog ihren Morgenmantel eng um sich herum und schalt sich im Geiste wegen ihrer Zögerlichkeit. Natürlich würde sich mit dem Schritt über diese Schwelle ihr ganzes Leben verändern – ein Kind zu empfangen, war etwas definitiv Unwiderrufliches, aber ganz offensichtlich Teil ihrer Zukunft. Und diese Zukunft lag hinter dieser Tür – warum also zögerte sie noch?
Weil hinter dieser Tür kein Kind lag.
Aufgebracht richtete sie sich auf, griff nach dem Türknauf und stellte zugleich all ihre Sinne auf Empfang – um im Zweifelsfall den leisesten Hauch einer Warnung noch zu erspüren, um selbst die allerletzte Vorwarnung, dass ihr Vorhaben falsch war, wahrzunehmen. Doch sie spürte nur Ruhe und Frieden, ein tiefes, beruhigendes Gefühl der Beständigkeit im ganzen Haus.
Catriona atmete noch einmal tief durch und öffnete dann die Tür. Völlig geräuschlos schwang diese weit auf; dahinter lag still und ruhig Richards Schlafzimmer, nur spärlich erhellt von dem Schein des Feuers, das im Kamin flackerte.
Catriona trat leise ein und schloss die Tür, indem sie den Schnappriegel vorsichtig zurückzog, sodass er ohne jedes Geräusch einrastete. Sie sah sich im Raum um. Das Kopfende des großen Himmelbetts war zur Korridorwand hin ausgerichtet. Dieser Anblick hielt ihre Sinne für einen Moment gefangen. Dann schlich sie langsam und lautlos auf das Bett zu.
Sie war nur noch fünf Schritte von dem Bett entfernt, als sie plötzlich bemerkte, dass es leer war und die Bettdecke glatt und unberührt dalag. Mit weit aufgerissenen Augen und stockendem Atem wirbelte sie herum und ließ ihren Blick suchend durch das Zimmer schweifen.
Sie entdeckte einen Arm, der eingehüllt in den dunklen Ärmel eines Überrocks und breite, weiße Manschetten, die im Feuerschein golden schimmerten, über der Armlehne des Ohrensessels hing. Der Arm wirkte geschmeidig und die langen Finger berührten beinahe den Boden. Die Fingerspitzen umschlossen ein Kristallglas, dessen Boden auf den blank gebohnerten Dielen stand.
Das Glas war leer.
Catriona atmete ruhig einige Male ein und aus und wartete, bis sich ihr Herzschlag wieder verlangsamt hatte. Sorgsam darauf bedacht, keine Geräusche zu machen, schlich sie um den Sessel herum.
Ein Teil ihrer Mixtur hatte bereits seine Wirkung getan – Richard schlief. Wie er so dasaß, tief in den Sessel gesunken, die langen Beine von sich gestreckt, seine Weste aufgeknöpft und das Halstuch gelockert, brachte er es immer noch fertig, elegant zu wirken. Auf elegante Art leichtlebig und gefährlich. Seine von einem Hemd aus feinem weißem Leinen bedeckte Brust hob und senkte sich unter ruhigen, regelmäßigen Atemzügen.
Catrionas Blick schweifte über Richards Körper zu seinem Gesicht. Im Schein des Feuers betrachtete sie versonnen seine gleichmäßigen Züge, die sie an eine bronzene Maske erinnerten. Er wirkte gelöster, als sie ihn jemals zuvor gesehen hatte. Da er die Augen geschlossen hatte, war es einfacher, sich auf seine Gesichtszüge zu konzentrieren, darauf, was sie ihr über ihn verrieten. Selbst im Schlaf ging immer noch seine große innere Stärke von ihm aus; den ernsten Zug um seinen wohlgeformten Mund, der nicht direkt auf Traurigkeit hindeutete, sondern vielmehr auf einen Mangel an Zufriedenheit, hatte sie bisher noch nicht an ihm entdeckt.
Dieser Anblick prägte sich tief in Catrionas Gedächtnis. Sie schüttelte sich und konzentrierte sich wieder auf ihr Ziel. Der erste Schritt war geschafft – Richard schlief.
Allerdings vollständig bekleidet.
In dem Sessel vor dem Kamin.
Und gute zehn Schritte vom Bett entfernt.
Catriona runzelte die Stirn. »Und was jetzt?«, murmelte sie. Die Hände in die Hüften gestemmt, betrachtete sie ihn, überlegte angestrengt und betrachtete ihn intensiver. Sie schüttelte den Kopf, bevor sie zu dem Schluss kam, dass nun – da Richard tief und fest schlief - sie die Führung übernehmen musste. Dazu musste sie Richard erst einmal ins Bett bekommen. Zwar würde es auch ein Sessel tun, jedoch sträubte sie sich bei dem Gedanken.
Sie starrte ihr schlafendes Opfer an. »Ich hätte mir gleich denken können, dass du
Weitere Kostenlose Bücher