Gezeiten der Begierde - Jordan, N: Gezeiten der Begierde - To tame a dangerous lord/Courtship-Wars 5
Äußeres.
Andererseits war es sinnlos, über ihre mangelnden Reize zu jammern, wenn ohnedies kein Ehemann hier war, dem sie gefallen musste. Außerdem hatte sie ihr Schicksal noch nie beklagt.
Nein, sie beabsichtigte, gute Miene zu machen und sich über den Tag zu beschäftigen. Gleich nach dem Frühstück würde sie noch einmal an ihren Bruder schreiben. Über dem Duell und ihrer kurzfristigen Vermählung hatte sie fast vergessen, in welcher Gefahr Gerard sich befand, und sie wollte dringend von ihm hören.
Danach würde sie Bramsley bitten, sie durchs Haus
zu führen und mit den Bediensteten bekanntzumachen.
Und nachmittags wollte sie zur Akademie fahren, auch wenn Jane und Arabella nicht erwarteten, dass sie heute Unterricht gab.
Sie musste sich mit anderem befassen, sonst würde sie nur endlos darüber nachdenken, zu welcher Katastrophe sie ihr Leben gemacht hatte, indem sie Rayne heiratete.
Anfangs verlief Madelines Tag exakt wie geplant. Sie aß allein im Frühstückssalon, und hinterher stellte Bramsley ihr die vielen Bediensteten vor, die in Riverwood arbeiteten, und führte sie ausgiebig durch ihr neues Zuhause.
Entgegen Madelines Erwartungen, verhielt Bramsley sich ihr gegenüber ausnahmslos respektvoll. Da war nicht einmal Mitleid in seinen Blicken, weil sie so kurz nach der Trauung von ihrem Gemahl verlassen worden war. Stattdessen benahm er sich, als wäre die Abwesenheit seiner Lordschaft ganz und gar nicht ungewöhnlich.
Was allerdings sehr wohl ungewöhnlich war, war von ihm mit »Mylady« angesprochen zu werden. Beim ersten Mal, als er Madeline morgens unten begrüßte, war sie buchstäblich zusammengezuckt. Aber natürlich war sie nun Lady Haviland, also rang sie sich ein Lächeln ab und antwortete: »Ihnen auch einen guten Morgen, Bramsley.«
»Ich bitte um Verzeihung, Mylady«, sagte er ernst. »Ich hätte Ihnen eine Zofe hinaufgeschickt, doch ich wusste nicht, dass Sie so früh aufstehen.«
Da war kein Anflug von Kritik in seinem Tonfall.
»Ehrlich gesagt, bin ich es gar nicht gewohnt, eine
Zofe zu haben. Folglich fiel mir deren Fehlen nicht auf.«
Erleichtert wie Bramsley war, reagierte er umso enthusiastischer, als sie ihn bat, ihr nach dem Frühstück das Haus zu zeigen. »Gewiss, Mylady. Lord Haviland trug mir auf, für Ihr Wohlbefinden zu sorgen, und es ist mir eine Freude, Ihnen bestmöglich zu dienen.«
Madeline wäre glücklicher, hätte Rayne selbst es übernommen, schalt sich jedoch sogleich für diesen Gedanken.
Die Führung nahm einen Großteil des Vormittags in Anspruch. Riverwood war erheblich größer als das Anwesen, auf dem Madeline die letzten fünf Jahre in Stellung gewesen war, und es waren viele, sehr viele Zimmer anzusehen.
Ihr Lieblingsraum befand sich im ersten Stock.
»Dies ist das Badezimmer, Mylady«, erklärte Bramsley. »Lord Haviland hat es selbst entworfen und den Einbau überwacht. Das heiße Wasser wird aus einem Boiler im darunterliegenden Raum in die Wanne geleitet und läuft auf demselben Wege wieder ab, so dass keine Krüge aus der Küche herbeigetragen werden müssen.«
»Wie eindrucksvoll«, sagte Madeline und bestaunte die große Kupferwanne mit der Vielzahl von Rohren dahinter. Was für ein königlicher Luxus, warmes Badewasser zu bekommen, wann immer man wollte. »Hat Lord Haviland noch mehr im Haus entworfen?«
»Ja, Mylady. Die Küche und die Kamine wurden ebenfalls modernisiert. Die Möblierung überließ seine Lordschaft mir. Er kaufte das Anwesen im letzten Jahr von einem älteren Gentleman, der zu seinem Sohn zog, und die meisten Räume mussten dringend neu gestaltet werden.«
Madeline vermutete, dass Rayne Riverwood erwarb,
nachdem er seinen neuen Titel erbte. Allerdings fragte sie sich, warum er sich einen Landsitz kaufte, wenn die Familie schon einen in Kent besaß.
»Sie haben einen hervorragenden Geschmack, Bramsley«, murmelte Madeline.
»Ich danke Ihnen, Mylady.«
Das Mobiliar ähnelte dem in Raynes Londoner Stadthaus: elegant und bequem. Madeline könnte sich hier wohlfühlen.
Der maskulinste Raum im Haus war Raynes Studierzimmer. Hier sorgten polierte Wandverkleidungen und wuchtige Ledersessel und Sofas sowie ein riesiger Schreibtisch für eine strenge Eleganz.
»Seine Lordschaft verbringt die meiste Zeit in diesem Zimmer, wenn er in Riverwood ist«, beantwortete Bramsley Madelines unausgesprochene Frage.
Madeline vermutete, dass sie in dieser männlichen Bastion nicht willkommen war, was sie indes nicht
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