Gezeiten der Begierde - Jordan, N: Gezeiten der Begierde - To tame a dangerous lord/Courtship-Wars 5
gebracht hatte, welchen Gefahren er sich stellte. Aber vermutlich würde nichts die niedrige Meinung der Witwe ändern.
»Ihre Abstammung ist noch in anderer Hinsicht fragwürdig«, fuhr ihre Ladyschaft angewidert fort. »Ihre Mutter war Französin .« Es klang wie ein Schimpfwort.
Damit war Madelines Toleranzschwelle erreicht, und sie entgegnete betont süßlich: »Ja, meine Mutter war Französin, Lady Haviland. Und ihre Vorfahren beiderseits waren schon vor den Zeiten der normannischen Eroberungskriege adlig, als die Ihrigen noch als Bauern auf dem Feld gearbeitet haben dürften. «
»Impertinentes Mädchen! Hüten Sie Ihre freche Zunge.«
Ihre Zunge hatte Madeline schon manches Mal in Schwierigkeiten gebracht, und so schwer es ihr fiel, angesichts der Beleidigungen Ruhe zu bewahren, wollte sie Raynes Großmutter nicht vollends vergällen.
Also bemühte sie sich um ein höfliches Lächeln. »Sie halten mich eindeutig für unwürdig, Ihren Titel
zu tragen, Lady Haviland, aber ich wurde nicht arm oder als Bedienstete geboren, und Ihr Enkel erachtete meine Abstammung offenbar für angemessen.«
Die Witwe musterte sie nochmals finster. »Es ist nicht nur Ihre Abstammung, die ein Problem darstellt. Sehen Sie sich an. Sie sind praktisch in Lumpen gekleidet!«
Madeline trug ein schlichtes Tageskleid, das offen gesagt bessere Tage gesehen hatte.
»Schlimmer noch, Sie sind ein derbes Landmädchen. Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, welche Erwartungen mit Havilands Rang einhergehen? Welche Eleganz von jemandem in seiner Stellung gefordert wird?«
»Haviland selbst scheint keine Einwände gegen meine Erscheinung zu haben. Wie können Sie es dann, Mylady?«
Raynes Großmutter stand auf. »Offensichtlich ist es sinnlos, diese Unterhaltung fortzusetzen, da Sie sich eindeutig gegen mich stellen wollen. Sie sollten allerdings wissen, dass Sie ohne meine Unterstützung von der feinen Gesellschaft geschnitten werden. «
»Welch fürchterliche Strafe«, murmelte Madeline.
Die Witwe sah zornig aus. »Mir ist schleierhaft, welche Listen Sie einsetzten, um einen Gentleman so weit über Ihrem Stand einzuwickeln, aber Sie haben Haviland zweifellos blind für alles gemacht, was er unserem guten Namen schuldig ist. Besitzen Sie keinerlei Schamgefühl, Mädchen?«
»Ich bin kein Mädchen mehr.«
»Fürwahr. Sie sind eine jungferliche Vermögensjägerin. Nun, ich habe eine Neuigkeit für Sie, Miss Ellis. Sie werden niemals auch nur einen Penny von meinem Vermögen sehen. Mein Enkel sollte meine
beträchtlichen Besitztümer erben, doch ich beabsichtige, ihm nichts zu geben, ehe er nicht zur Vernunft kommt.«
Die Drohung machte Madeline Angst. Sie wollte nicht, dass Rayne sein rechtmäßiges Erbe verlor, weil er sich herabließ, sie zu heiraten.
Lady Haviland kam jeder Erwiderung mit einer Frage zuvor. »Wurde Ihre Vermählung schon in den Zeitungen bekanntgegeben?«
»Nicht dass ich wüsste.«
Die Witwe wirkte erleichtert. »Dann ist es noch nicht zu spät.«
»Zu spät wofür?«
»Eine Annullierung selbstverständlich!«
Madeline erschrak. Könnte Raynes Großmutter gelingen, was ihr nicht gelungen war? Sie selbst hatte Rayne wiederholt darauf hingewiesen, dass sie nicht die angemessene Wahl für ihn wäre. Würde er womöglich auf seine geliebte Verwandte hören? Falls Rayne jetzt eine Annullierung verlangte …
Nein, sie weigerte sich, an solch eine schreckliche Möglichkeit zu denken. Stattdessen reckte Madeline trotzig das Kinn. »Falls Sie so sehr gegen unsere Verbindung eingenommen sind, Lady Haviland, schlage ich vor, dass Sie die Angelegenheit mit Ihrem Enkel besprechen.«
»Das habe ich vor!«
Madeline ging zum Klingelband an der Tür. »Nachdem Sie mich auf jede nur erdenkliche Weise beleidigt haben, bitte ich Bramsley, Sie zu Ihrer Kutsche zu bringen.«
Bebend vor Zorn sah Lady Haviland sie an wie ein besonders scheußliches Insekt und schritt grußlos nach draußen.
Rayne wäre nicht froh, dass sie so offen mit seiner
Großmutter gestritten hatte. Aber hatte sie eine andere Wahl gehabt?
Sie versuchte sich zu beruhigen, konnte jedoch nicht umhin, über das nachzudenken, was Lady Haviland gesagt hatte.
Unglücklich blickte sie an ihrem Kleid hinab, das ihre adlige Besucherin so abstoßend gefunden hatte. Zugegeben, es verletzte ihren Stolz zu hören, sie wäre in Lumpen gekleidet. Und falls sie ihren Platz als Raynes Gemahlin behaupten wollte, müsste sie sich entsprechend kleiden. Rayne spottete gern
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