Gezeiten der Begierde - Jordan, N: Gezeiten der Begierde - To tame a dangerous lord/Courtship-Wars 5
über die feine Gesellschaft und deren Regeln, doch Madeline hatte auch ohne die zu schlichte Kleidung schon zu viele Mängel vorzuweisen.
Madeline ging zum Sekretär und wollte eine Nachricht an Arabella schreiben. Ihr war nicht wohl dabei, ihre Nachbarin einen Tag nach der Heirat um Rat zu bitten, denn sie gestand höchst ungern, dass ihr Ehemann sie während der Hochzeitsnacht verlassen hatte.
Andererseits wünschte Rayne, dass sie sich von Arabella bei der Auswahl ihrer Garderobe helfen ließ – zweifellos weil er fürchtete, Madeline hätte nicht den passenden Geschmack oder würde sich weigern, modische Kleidung schneidern zu lassen, weil sie es als »Almosen« empfand.
Aber Madeline war stolz genug, um sich angemessen kleiden zu wollen, auf dass sie seiner Großmutter oder deren Verbündeten nächstes Mal hocherhobenen Hauptes entgegentreten konnte. Zu diesem Zweck würde sie sich ein oder zwei neue Kleider von Arabellas Schneiderin fertigen lassen.
Sie mochte aus Vernunft geheiratet haben, dachte Madeline, während sie im Sekretär nach Briefpapier und Feder suchte, aber das hatten zahllose andere
Frauen auch. Und sie würde das Beste aus ihrer Situation machen.
»Mich wundert nicht, dass du diese Aufgabe annahmst«, sagte Will Stokes grinsend. »Ich wusste immer, dass dir ein Leben des Müßiggangs nie gefallen würde. Und du könntest nicht tatenlos zusehen, wenn ein Leben auf dem Spiel steht – nicht einmal wenn es sich um das unseres erbärmlichen Regenten handelt.«
»Dem widerspreche ich nicht«, antwortete Rayne. Das letzte Jahr als reicher Erbe ohne Betätigung war entsetzlich langweilig gewesen. Und was Prinny anging, hatte Stokes gleichfalls Recht: Er gab einen miserablen Regenten ab, der seine Untertanen gegen sich aufbrachte, indem er gewaltige Summen für sein Privatvergnügen verschleuderte. Nur verdiente er deshalb nicht gleich, hinterhältig ermordet zu werden.
Rayne hatte den Tag vornehmlich mit der Einleitung seiner Ermittlungen zugebracht. Gegenwärtig saß er in dem kleinen Salon in Wills Heim, wo sie die letzten Details ihrer Operation besprachen und einen exzellenten Portwein tranken. Will hatte ihn zur Beförderung bei den Bow Street Runners geschenkt bekommen.
Ihre Vorgehensweise heute hatte sich nicht sonderlich von der bei früheren Aufträgen unterschieden, ausgenommen, dass sie hier im eigenen Land spionierten. Sie beide hatten so viele Jahre zusammengearbeitet, dass sie beinahe die Gedanken des jeweils anderen lesen konnten. Will war besonders gut, wenn es um Verkleidungen ging, während Raynes Größe es schwer für ihn machte, in einer Menge unterzutauchen. Deshalb war er meist der Planer und Stratege, der im Hintergrund agierte.
Spionage drehte sich um Intrigen und Lügen, und
Rayne hatte sich bei diesem Spiel als äußerst talentiert erwiesen. Im diplomatischen Dienst stieg er schnell auf, bis er nur noch die wichtigsten Aufgaben zugeteilt bekam. Dann, vor fünf Jahren, hatte er auf Veranlassung des Außenministers Viscount Castlereagh einen Elitekader von Agenten zusammengestellt, die seinem Kommando unterstellt waren.
Er leitete die Einsätze selbst, dirigierte mehrere Männer und drei Frauen, die französische Geheimnisse ausspionierten, einen großen Informantenstab aufbauten, für die Bestechungsmittel sorgten, Nachrichten aus verschiedenen Sprachen übersetzten, Kuriere abfingen und die feindlichen Spione verfolgten.
Nun sollte er also eine mögliche Verschwörung gegen den Prinzregenten aufdecken. Vor annähernd neun Monaten war der erste Anschlag auf Prinny verübt worden, bei dem zwei Kugeln durch sein Kutschenfenster flogen, als er auf dem Rückweg von der Parlamentseröffnung war. Den Schützen hatte man nie gefasst. Ardens Informationen zufolge hatte sich ein politischer Geheimbund in den South Midlands formiert, der die britische Monarchie stürzen wollte. Zwei Männer, Brüder, galten als Anführer der Revolutionäre und verbreiteten seit neuestem auch in London Unfrieden.
Von Raynes früheren Mitarbeitern gingen viele inzwischen anderen Beschäftigungen nach, wie Will. Letzterer hatte sich vorübergehend von der Bow Street freistellen lassen, und neben ihm hatte Rayne einige andere Männer verpflichten können, denen er vertraute. Die nächsten zwei Wochen wollten sie die Verdächtigen beobachten und nach Gelegenheiten Ausschau halten, ihre Organisation zu infiltrieren.
»Und, wie gefällt dir die Ehe?«, wechselte Will das
Thema. »Ich
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