Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
schlug die Tür hinter sich zu. Im selben Moment hörte er, wie ein Stuhl gegen die Tür krachte und zerschmetterte. Fluchend machte Sam zwei Schritte, bevor er merkte, dass er nicht allein war. Er blieb abrupt stehen und ragte über Libby Drake auf. Seine Hände öffneten und schlossen sich und ballten sich schließlich zu Fäusten.
»Wie zum Teufel kommst du dazu, dich in meinem Haus herumzudrücken? Suchst du nach Bargeld, das achtlos rumliegt? Oder versuchst du nur, einen Keil zwischen meinen Cousin und mich zu treiben?«
»Ich würde sagen, das hast du selber schon ganz gut hingekriegt«, erwiderte Libby. Es juckte sie, ihn zu ohrfeigen. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie Tyson zumute sein musste, nachdem ihm Sam unter die Nase gerieben hatte, niemand hätte ihn je um seiner selbst willen gemocht. »Ty hat mir einen Schlüssel gegeben und mich gebeten, heute Morgen zu ihm zu kommen.«
»Na toll, dann muss ich also tatsächlich mit ansehen, wie du meinen Cousin dazu verleitest, sich lächerlich zu machen. Frauen wie dich gibt es wie Sand am Meer. Du könntest ebenso gut auf den Strich gehen. Straßenmädchen sind wenigstens ehrlich.«
Libby reckte ihr Kinn in die Luft und wünschte, sie wäre größer. Mit einer solchen Mischung aus Verachtung und Abscheu hatte sie noch nie jemand angesehen. »Du kommst wohl nicht einen Moment lang auf den Gedanken, ich könnte Ty um seiner selbst willen lieben.«
Sam schnaubte. »Ja, klar. Er ist ja so ein liebenswürdiger Kerl. Und so zuvorkommend im Umgang mit Frauen. Zum Teufel, der wüsste noch nicht mal, wie man eine Frau befriedigt, wenn man ihm eine Landkarte ihres Körpers in die Hand drücken würde, mit großen roten Pfeilen, die auf die Krisenherde weisen. Er behandelt jeden grob und unverschämt. Bloß, weil er ein verdammtes Genie ist, erwartet er, dass alle nach seiner Pfeife tanzen. Ja, Libby, natürlich glaube ich dir, dass du wirklich auf dem besten Wege bist, dich in ihn zu verlieben, und dieses armselige kleine Anwesen, das mehr als vierzig Millionen wert ist, hat natürlich nicht das Geringste damit zu tun, dass du dich für ihn ausziehst. Du widerst mich an.«
»Ich dachte, du hättest ihn sehr gern.«
»Ich habe ihn sehr gern. Was glaubst du wohl, warum ich dich mit allen Mitteln bekämpfen werde, um zu verhindern, dass du ihn ruinierst? Dass ich weiß, wie unmöglich er ist, heißt noch lange nicht, dass ich mir nichts aus ihm mache. Ich habe auf ihn aufgepasst, seit er ein kleiner Junge war. Er braucht mich. Du bist ein süßer Knackarsch und wahrscheinlich sein erster, und da brennen ihm eben die Sicherungen durch, aber damit lasse ich dich nicht davonkommen.«
Libby stellte fest, dass sie zitterte. So sehr hatte noch nie jemand sie beleidigt – oder verabscheut. Mit dem Image des bösen Mädchens hatte es mehr auf sich, als sie vermutet hatte. Nachdem sie sich Sams Vorstellung von Beziehungen zu Frauen und die grässlichen Dinge, die er über sie sagte, angehört hatte, war sie nicht einmal mehr sicher, ob sie Tyson ins Gesicht sehen konnte. Ein Anwesen, das mehr als vierzig Millionen wert war? Kein Wunder, dass Sam nur das Schlechteste über sie dachte – aber warum dachte er nicht das Beste über Tyson?
»Dieser süße Knackarsch begibt sich jetzt ins Labor. Geh mir aus dem Weg.«
Sam rührte sich nicht von der Stelle, sondern baute sich vor der Tür auf und versperrte ihr den Weg. »Vielleicht möchtest du es mal mit einem richtigen Mann probieren, mit einem, der weiß, was er tut.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Deine Vorstellung davon, Spaß zu haben, unterscheidet sich gewaltig von meiner, aber ich werde Joley fragen, was sie von deinem ach so großzügigen Angebot hält.«
»Du verfluchtes Miststück.« Er kam einen Schritt auf sie zu, sein Gesicht war eine Maske des Zorns. Seine Finger gruben sich in ihre Schultern, als er sie schüttelte. Je mehr er sie schüttelte, desto mehr schien sein Zorn zuzunehmen und umso heftiger schleuderte er sie umher.
Was ihr Angst einjagte, war noch nicht einmal so sehr die
tätliche Bedrohung, sondern die Wut, die er ausstrahlte. Eine derart tiefe Feindseligkeit lag Libbys Naturell zu fern. Einen Moment lang bildete sie sich ein, seine Hände seien dabei, zu ihrem Hals hinaufzukriechen, um sie zu erwürgen. Ein kleiner Laut entrang sich ihr, und sie war selbst nicht sicher, ob es ein Flehen oder ein Protest war. Doch dann zwang sie ihren schockierten Körper, sich zu bewegen, und
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