Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
sie werden allzeit euch verbinden
Prophezeiung geschrieben von Anita Toste,
elfter Tochter der berüchtigten
und magischen King-Familie,
im Jahr vor den großen Kriegen
zwischen Magie und Wissenschaft
‹
A leksandr schenkte Jonas keinerlei Beachtung, sondern trug Abigail von der Mole. »Ich bin sowieso schon durchnässt. Es ist nicht nötig, dass wir beide klatschnass werden. Außerdem muss ich ihr ohnehin ein paar Fragen stellen, sobald sie sich wieder besser fühlt.« Er lief unbeirrt weiter und gab Jonas gar nicht erst Gelegenheit zu protestieren, als er sie zum Fahrzeug des Sheriffs trug und sich mit ihr in seinen Armen auf den Rücksitz zwängte. Er brauchte dringend Antworten, und die würde er nur bekommen, wenn er sich Zutritt zum Allerheiligsten des Drakeschen Hauses verschaffte. Er weigerte sich, den finsteren Blick wahrzunehmen, mit dem Jonas ihn bedachte. Stattdessen schloss er seine Arme noch enger um Abigail.
Aleksandr ließ sich Gefühle nur in den seltensten Fällen ansehen. Er war ein Meister darin, seine Empfindungen vor anderen zu verbergen, aber Abigail kannte ihn. Sie wusste, dass der Tod seines Partners ihn in Wut versetzte, obwohl er ihn gelassen hinzunehmen schien. Sie wusste auch, dass Jonas argwöhnisch war, weil Aleksandr nur einen flüchtigen Blick für die Leiche seines Partners übrig gehabt hatte. Aber Jonas war nicht dabei gewesen, als Aleksandr ihr wenige Minuten zuvor die Mündung seiner Waffe an die Stirn gepresst und sie dem Tod ins Auge gesehen hatte. Nichts anderes als reine Disziplin ließ ihn an seiner Selbstbeherrschung festhalten, doch sie spürte, dass seine Wut unter der Oberfläche brodelte. Sie hielt ganz still, als er sie dicht an seine Brust drückte.
»Mir fällt auf, dass Sie keine Fragen stellen. Sie haben sich nicht nach Abbey erkundigt und auch nicht danach, warum sie sich kaum von der Stelle rühren kann«, sagte Jonas und knallte die Fahrertür zu. »Was hat man Ihnen über die Drake-Schwestern erzählt?«
Abigail zuckte zusammen. Aleksandr hatte sein Wissen über die seltsamen Gaben, die sie besaß, aus erster Hand bezogen. Mehr als einmal hatte er gesehen, wie sie sie eingesetzt hatte und dabei jede Spur von Energie aus ihr herausgesickert war. Er kannte ihre Fähigkeiten und ihre Schwächen nur zu gut. Tränen brannten in ihren Augen, und ein kleiner Laut der Verzweiflung kam über ihre Lippen.
Aleksandr schmiegte Abigails Kopf an sich. Es erschien ihm wie ein Wunder, sie wieder in seinen Armen zu halten. Dabei war er kein Mann, der an Wunder glaubte. Jedenfalls nicht bis zu dem Tag, als er ihr begegnet war. Obwohl sein Partner tot auf der Mole lag und er von Wut und Rachsucht verzehrt wurde, war in dem Moment, als sein Kopf wieder klar genug gewesen war, um sie zu erkennen, ein kleiner Hoffnungsfunke in seinem Herzen aufgeflackert.
Er war es gewohnt, seine Gefühle zu verbergen. In Russland wurde alles politisch gedeutet, und eine falsche Formulierung, die geringste Andeutung eines Skandals, jede Kleinigkeit konnte seiner Karriere ein Ende bereiten. Da so viel auf dem Spiel stand, war er gerade jetzt besonders dankbar für die gründliche Ausbildung, die er erhalten hatte. Er und Danilov waren zufällig auf etwas gestoßen, das größer war, als sie vorausgesehen hatten, und Danilov hatte es das Leben gekostet. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war die Ablenkung durch Abigail Drake, aber falls Jonas glaubte, sich Aleksandr vom Hals schaffen zu können, ob in Bezug auf die Ermittlung oder auf Abigail, dann irrte er sich gewaltig. Es mochte durchaus sein, dass Jonas zurzeit mit Abbey liiert war, aber Aleksandr hatte ältere Rechte. Er würde Abigail nicht kampflos an ihn abtreten,
ebenso wenig, wie er sich aus seiner Ermittlung zurückziehen würde.
»Abigail ist mit mir verlobt.« Ohne jedes Zögern stellte er diese Ankündigung in den Raum. Er blickte auf die beiden geschwungenen Bögen ihrer rotblonden Wimpern, um sie mit reiner Willenskraft dazu zu zwingen, ihn anzusehen.
Ihre Augen sprangen auf, und sie blinzelte ihn an. Aleksandr konnte die Flammen sehen, die in ihren Augen zu lodern begannen. Abigail hatte ihn schon immer an das Meer erinnert, ruhig, friedlich und besänftigend, aber auch aufgewühlt und wild. Den meisten Auseinandersetzungen entzog sie sich und verschwand lieber, statt zu kämpfen, aber schließlich war sie nicht ohne Grund rothaarig. Sie war durchaus in der Lage, lautlos wie ein Hai aus den Tiefen aufzutauchen
Weitere Kostenlose Bücher