Gezeiten des Krieges
ein.
Sein Gegenüber machte - misstrauisch - einen Schritt rückwärts.
»Ganz ruhig, Evan. Ich bin nicht gekommen, um mich zu schlagen.«
Evan trat einen drohenden Schritt von der U lm e fort, die Hände zu Fäusten geballt. Peterson unternahm keinen Versuch, sich zu verteidigen, obwohl er mehrere Zentimeter größer und gut zwanzig Kilo schwerer war als Evan. Worauf wartete er? Greif ihn an. Wickel ihn um den Baum. Tu etwas! Schlag Alarm! Peterson würde das Gelände nicht lebend verlassen.
Sollte er es also anderen überlassen, weil sich Evan nicht selbst zum Richter und Henker in einer Person aufschwingen konnte?
Bebend zwang er sich zu entspannen. Langsam öffnete er die Fäuste. Offenbar war er zu erwachsen, um noch blind um sich zu schlagen. Er musste verstehen.
»Na schön«, erklärte er und erinnerte sich an ihr letztes Gespräch. Daran, wie es geendet hatte. »Es ist nicht 3128. Aber Sie sind Ezekiel Crow.«
»Ich heiße Daniel Peterson. Ich denke, das weißt du.«
»Was wollen Sie?«, fragte Evan und spie Peterson jedes einzelne Wort entgegen.
Er blieb gelassen. »Wir hatten keine Gelegenheit, unser letztes Gespräch zu beenden. Ich hatte aber das Gefühl, dass es noch etwas zu sagen gibt. Etwas von Bedeutung.« Er blickte sich auf dem dunklen, menschenleeren Campus um. »Ich dachte, das schulde ich dir.«
»Sie haben keine Vorstellung davon, was Sie mir schulden. Ich hasse Sie schon mein ganzes Leben lang für das, was Sie getan haben. Und Sie konnten in aller Ruhe dastehen und mir eine Predigt über die Konsequenzen meines Handelns halten? All dieses leere Geschwätz über den Weg zur Hölle, der mit guten Vorsätzen gepflastert ist?«
»Allerdings. Ich konnte einfach nicht dastehen und zusehen, wie sich das alles wiederholt, ohne zumindest den Versuch zu unternehmen, es aufzuhalten.«
Evan trat einen Schritt auf Peterson zu. »Lass es, haben Sie gesagt. Diskutier es aus, haben Sie gesagt. Sie!« Die Wut war da, eine lodernde weiße Glut am Rande von Evans Selbstbeherrschung.
Peterson schien bereit, sich umzudrehen und zu gehen. Evan schwor sich, dass er in diesem Fall den Mann anspringen und umbringen würde. Doch der Verräter suchte nur den Horizont ab, stellte fest, dass sie noch immer allein waren, und verschränkte die Arme.
»Sie werden mir zwar nicht zuhören, Evan, aber ich versuche es trotzdem noch ein letztes Mal. Ich habe den größten Teil meines Lebens mit dem Versuch verbracht, wieder gutzumachen, was ich angerichtet habe. Doch ich habe mich nie entschuldigt! Und ich werde nicht gerade bei dir damit anfangen.«
»Warum nicht bei mir? Was stimmt nicht mit mir?« Evan spürte, wie die Leere an seiner Wut nagte. Er hatte zu lange gewartet. »Meine Eltern sind nach der Nacht der Schreie gestorben, als ein Mech -ein Mech der Republik! - durch unser Mietshaus brach. Das passierte in der zweiten Angriffswelle. Was kümmert es mich, wie viele Jahre Sie eine Lüge gelebt und versucht haben, es an der Republik wieder gutzumachen? Was haben Sie getan, um es an mir wieder gutzumachen?«
»Ich habe versucht zu verhindern, dass du meinen Fehler wiederholst.«
»Es ist kein Fehler, es sei denn, Sie hatten nie eine Überzeugung. Das ist dann Ihr Problem, nicht meines.« Seine Wut war verraucht und Evan zitterte vor Kälte und wegen der Leere nach dem Adrenalin. Er wartete, doch Peterson hatte wohl nichts mehr zu sagen. Die beiden Männer starrten einander an. »Was haben Sie erwartet, Daniel? Wozu sind Sie hergekommen? Vergebung?«
»Es ist nicht mehr wichtig, weshalb ich gekommen bin, Evan. Den Menschen, dem ich helfen wollte, gibt es nicht mehr.«
»Nein.« Evan schüttelte den Kopf. »Den Menschen, von dem Sie sich eingebildet haben, Sie könnten ihm helfen, hat es nie gegeben. Meine Entscheidungen sind vielleicht nicht einfach, aber ich kann mit ihnen leben.« Jetzt drehte er sich fort. Zu seinem Wohnheim, nicht zu Jennas. Er schaute sich einmal um und sah Peterson noch immer an der Ulme stehen. »Können Sie das auch von sich sagen?«
Er bekam keine Antwort.
Zeit für Veränderung
Heute betonte Lordgouverneur der Präfektur VI Harri Golan, dass die Republik in dieser Zeit des Chaos und der Zweifel nur hoffen kann, zu überleben und zu gedeihen, wenn sie friedliche Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten unterhält. Der Lordgouverneur erwähnte insbesondere seine jüngsten Versuche, einen neuen Frieden mit dem Oriente-Protektorat auszuhandeln und ähnliche Bedrohungen von Seiten der
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